Aus den Unternehmen
Druckindustrie im konjunkturellen Aufwind
Montag 17. April 2000 - Struktur, wirtschaftliche Lage und Aussichten der deutschen Druckindustrie im Vorfeld der Drupa 2000
Die deutsche Druckindustrie befindet sich nach einer fast sieben Jahre andauernden konjunkturellen Schwächephase seit Ende 1997 wieder in einer Erholungsphase, die sich in steigenden Umsätzen und lebhafterer Produktionstätigkeit niederschlägt. Die Erträge hielten jedoch mit dieser Entwicklung nicht mit. 1998 nahm der Umsatz um 4,7 Prozent zu, 1999 um 4,3 Prozent, und für das laufende Jahr erwartet der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) ein Plus von 3 bis 4 Prozent. Die Produktion erreichte 1999 erstmals wieder ihr bislang höchstes Niveau von 1991.
Die Wachstumsimpulse kommen von der allgemeinen Belebung in der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere von der steigenden Werbetätigkeit. Die expansive Auslandsnachfrage trägt seit 1998 auch erheblich zum Umsatzwachstum bei, wenngleich die Exportquote noch unter 10 Prozent liegt. Knapp zwei Drittel des Umsatzes mit Druckerzeugnissen hängen unmittelbar oder mittelbar von den Werbeaktivitäten der Wirtschaft ab. Kataloge und andere Werbedrucke haben einen Umsatzanteil von 36 Prozent, auf die Produktion von Zeitungen, Anzeigenblättern und Zeitschriften entfallen 26 Prozent, und mit anderen Werbeträgern wie Adress- und Telefonbücher und Kalender werden knapp 2 Prozent des Druckumsatzes erzielt.
Gewisse Sorgen bereitet der von den Veränderungen im Informations- und Kommunikationsverhalten der Wirtschaft besonders stark betroffene Markt der Geschäftsdrucksachen, der etwa 16 Prozent zum Druckumsatz beiträgt, wenngleich hier die Umsatzverluste traditioneller Geschäftspapiere und Formulare durch Gewinne neuer hochwertiger Produkte zum Beispiel Sicherheitsdrucke ausgeglichen werden. 1999 sorgte die Euro-Umstellung für eine überdurchschnittlich positive Entwicklung dieses Sektors, die allerdings nicht als dauerhaft eingeschätzt wird.
Mit der konjunkturellen Belebung hat sich auch die Investitionsfähigkeit und Investitionstätigkeit verbessert. 1998 nahmen die Investitionen der deutschen Druckindustrie erstmals seit Anfang der 90er Jahre wieder zu, die Investitionsquote näherte sich der Größenordnung von 7 Prozent. Das Niveau des letzten Investitionsbooms der Jahre 1990 bis 1992 wurde allerdings noch deutlich unterschritten. Zunehmend wird in die Druck- und Medienvorstufe investiert, wobei hier das Leasing eine nahezu identische Bedeutung wie die Investitionen in Sachanlagen hat. 1999 ließ die Investitionstätigkeit im Vergleich zum Vorjahr wieder nach, was zum einen auf die etwas ungünstigere Geschäftslage, zum anderen auf den starken Anstieg im Vorjahr zurückzuführen ist. Die Investitionspläne für das laufende Jahr 2000 sind zurückhaltend, im drupa-Jahr wird die Druckindustrie kaum mehr als 1999 investieren.
Doch nicht nur in Sachanlagen investiert die Druckindustrie, sondern auch in die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter. Die Ausbildungsquote erreichte 1998 erstmals seit 1993 wieder einen Wert von mehr als 5 Prozent, 1999 dürfte sie weiter gestiegen sein. Dazu hat der neue Beruf des Mediengestalters für Digital- und Printmedien wesentlich beigetragen. Es ist kein Widerspruch, dass gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten in der Druckindustrie weiter abgebaut worden ist. Die Gründe liegen zum einen in dem anhaltend hohen Preis- und Kostendruck, zum anderen auch in den Produktivitätseffekten neuer Druckmaschinen und in den immer noch nicht völlig ausgeschöpften Potenzialen der Rationalisierung und Kostensenkung zum Beispiel in der Verwaltung. Ende 1999 wurde der Personalabbau gestoppt, der seit 1991 – vor allem wegen der langen Konjunktur- und Wachstumsschwäche bis Mitte der 90er Jahre – zu einem Rückgang der Zahl der Beschäftigten um fast 44.000 auf zuletzt 220.000 Arbeitnehmer geführt hatte.
Die Druckindustrie ist für die Herausforderungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnik gerüstet. Dies gilt jedoch nicht für alle Unternehmenstypen und Betriebsgrößen gleichermaßen. Das deutsche Druckgewerbe ist eine von Klein- und Mittelbetrieben geprägte Branche. 85 Prozent aller fast 14.000 Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte. Und nur knapp 3 Prozent beschäftigen mehr als 100 Personen. Kleinbetriebe scheinen auf den ersten Blick gegenüber größeren Betrieben Nachteile zu haben, weil sie nicht die notwendigen Investitionen tätigen können bzw. Sorgen um die ausreichende Auslastung neuer Dienstleistungsangebote haben. Die Lösungen für viele Kleinen liegen aber auf der Hand: zum einen in der Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen, zum anderen auch im Aufbau von Kooperationen.
Im Angebot neuer Dienstleistungen für Printprodukte und den expansiven Bereich der neuen Medien liegt die Chance, an den geänderten und erweiterten Wertschöpfungsketten zu partizipieren, gleichzeitig Kunden zu binden und letztlich sich dem reinen Preiskampf, wie er bei reinen Druckleistungen üblich ist, zu entziehen. Kompetenz in der Beratung und die Abwicklung neuer Medienproduktionen werden zum bestimmten Faktor am Markt.
Die Druckindustrie blickt zuversichtlich in die Zukunft. Aufgrund ihrer hohen Einbindung in nahezu alle wirtschaftlichen Vorgänge wird die Druckindustrie vom langfristigen Wachstum der deutschen Wirtschaft profitieren. Die Druckindustrie rechnet mittelfristig mit einem durchschnittlichen jährlichen realen Wachstum ihrer Produktion um 2 bis 3 Prozent. Allerdings wird der internationale Wettbewerb für viele mittlere und große Betriebe zunehmen.
Die Druckindustrie ist ein bedeutender Teil der Informations- und Kommunikationswirtschaft; entsprechend hoch ist die Abhängigkeit von wirtschaftlichen und technischen Veränderungen dieses Umfeldes. Wesentliche Einflussfaktoren sind die Informations- und Kommunikationsbedürfnisse, speziell das Leseverhalten der Bevölkerung und das Werbeverhalten der Wirtschaft sowie die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken und ihre Nutzung im privaten und geschäftlichen Bereich. Der Informations- und Kommunikationssektor ist und bleibt einer der wichtigsten Wachstumsmärkte Deutschlands, weil der Informations- und Kommunikationsbedarf einer zudem langfristig wachsenden Wirtschaft weiter stark steigt. Dabei wird zwar der größte Teil des Wachstums den elektronischen Formen (z.B. CD-ROM, Online-Dienste, Datenbanken) zugute kommen, und die Entwicklung der elektronischen Medien wird den Wettbewerbsdruck auch auf die Printmedien verstärken, so dass in einigen Teilmärkten bestehende Druckprodukte durch elektronische Produkte teilweise – in seltenen Fällen ganz – substituiert werden. Druckprodukte können jedoch ihre Konkurrenzfähigkeit auf den meisten Informations- und Kommunikationsmärkten durch ständige Prozess- und Produktinnovationen erhalten.
Ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Druckindustrie ist die künftige Entwicklung der Werbung, denn fast zwei Drittel des Umsatzes hängen von den Werbeausgaben der Wirtschaft ab. Die Druckindustrie konnte im vergangenen Jahrzehnt von wachsenden Werbeausgaben von Wirtschaft, Staat und anderen Institutionen profitieren. Von 1988 bis 1998 stiegen die Werbeumsätze in Deutschland insgesamt um 94 Prozent – das Bruttoinlandsprodukt wuchs gleichzeitig nur um 81 Prozent. Durch das Vordringen der elektronischen und audiovisuellen Medien ab Ende der 80er Jahre verloren die Druckmedien zwar Anteile am Werbemarkt – von 1988 bis 1998 sank der Anteil der Druckmedien von 89,4 Prozent auf 81,8 Prozent. Dennoch erzielten die Druckmedien noch ein Wachstum von 78 Prozent, das nahe beim Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts lag.
Die Werbewirtschaft wird eine dynamische Branche bleiben, auch wenn die Zuwachsraten in den kommenden Jahren nach Einschätzungen von Experten nur +3 bis 4 Prozent pro Jahr betragen werden. Die Fernsehwerbung, die die stärkste Dynamik aufwies und 1998 einen Anteil von 15,3 Prozent am Werbemarkt erreichte, wird voraussichtlich nur noch leicht an Gewicht zunehmen. Den gedruckten Werbemedien wird somit auch in den nächsten Jahren Spielraum für ein leichtes Wachstum bleiben.