Aus den Unternehmen
Waypoints: Ein Management- und Strategiebuch
Freitag 19. Oktober 2001 - Waypoints nennen Navigatoren die Zwischenziele, die auf dem Weg von A nach B anzusteuern sind. In der Luft- und Schifffahrt gehören sie zu den elementaren Begriffen der Navigation.
So gut wie nie kommt man auf direkter Ideallinie vom Startzum Zielpunkt. Daher teilt man die Route in sinnvolle Abschnitte auf. Zwischen den jeweiligen Waypoints, den »Kurven« auf einer Route, gibt es dann die direkten Geradeaus-Kurse. Diese smarte Idee soll keineswegs nur eine methaphernhafte Anleihe für die Unternehmensführung sein. Kein Print-Unternehmen wird, um ein Beispiel zu nennen, auf direktem Weg vom Offsetdrucker zum Multimedia-Betrieb. Scheinbare Abweichungen vom Kurs im Extrem bis zu 180 Grad sind oft notwendig, um Hindernisse zu umschiffen oder Turbulenzen auszuweichen. Außerdem tragen Waypoints, erkennbare und naheliegende Zwischenziele, zur Motivation bei. Die »Angst vor dem offenen Meer «oder vor der wolkenverhangenen Nacht, die manchem Aqua- und Aeronauten historischer Zeiten die Nerven geraubt haben, befällt auch heute noch Unternehmer, Unternehmensverantwortliche und Manager, wenn sie große Veränderungen vor sich sehen. Da bleiben viele lieber an Land, auf dem Boden und damit stehen. Was früher die blinkenden Lichter der Leuchtfeuer und -türme waren oder die erst zitternden, dann abrupt umschlagenden Nadeln der Peilinstrumente im Flugzeugzeug-Cockpit, sind heute, in Zeiten des GPS (Global Positioning System), die in Grad, Minuten und Sekunden eingegebenen Koordinaten der Längen- und Breitengrade. So wie die Navigation digital geworden ist, ist es auch die Unternehmensführung.
Zahlen sind es vor allem, die heute Entscheidungen beeinflussen. Aber ob alter Fahrensmann, verwegener Luftikus oder studierter Manager: Eins ist geblieben und wird bleiben. Die Intuition, welcher Waypoint letztendlich richtig, welchem Signal und Wert man trauen, wann man die Route entgegen ursprünglicher Planung ändern muss und wie hoch das Tempo sein soll. All das ist Intuition, Erfahrung, Kreativität und Phantasie. Zahlen können helfen, Positionen Waypoints zu bestimmen.
Wann wer wie wohin will, das ist nach wie vor die Freiheit der Entscheidung, die entscheidungsstarke (Unternehmens-) Piloten überleben lässt und die ängstlichen in den Crash treibt.
Waypoints Wissen pur
Kann man das Wissen, das ein Verantwortlicher für das Management eines Printmedien-Produktionsunternehmens (Sie dürfen auch »Druckerei« sagen) braucht, in einem überschaubaren Handbuch unterbringen? Dazu noch auf lesefreundlichen A-5-Seiten. Man kann. Zumindest der Idee und dem Prinzip nach. Ob es dann bei dieser Wissensquantifizierung bleiben soll, ist eine andere Frage. Aber als ein wirkliches »Handbuch«, das in vielen täglichen Fragen, Problemen und Entscheidungen, bei der Frage nach dem Wie, Warum, Wohin und Womit einer Unternehmensentwicklung und -strategie von hohem Nutzen ist, empfiehlt sich ein Werk, das von der HDM Stuttgart und MAN Roland initiiert wurde: »Waypoints«.
Erstmals erschien das Werk zur drupa 2000. Inzwischen liegt bereits die 2. Nachlieferung vor.
Brücke zwischen Hochschule und Industrie
Die Projektidee stammt von Prof. Gerd Finkbeiner und Prof. Bernd Jürgen Matt. Dieser lehrt im Studiengang Print-Media-Management an der Fachhochschule Stuttgart. Gerd Finkbeiner ist Vorstandsvorsitzender und damit »oberster Lenker« der MAN Roland Druckmaschinen AG. Das Material und die umfangreichen Details haben neben den Initiatoren Studierende zusammengetragen. Über 40 Namen nennt das Impressum. Kein Zufall, denn Gerd Finkbeiner erinnert an die Grundidee des Projektes: »Es soll die Brücke zwischen Schulen und der Industrie schlagen.«
Unaufdringliche Schlichtheit
Das Kennzeichen des Werkes, das noch viel Lob verdienen wird, ist seine unaufdringliche Schlichtheit. Nicht selten geraten solche Lose-Blatt-Sammlungen zum Gockelgeschrei sich wichtig machender Professoren. Anders hier: In nüchterner Klarheit sind die einfachen, aber höchst wirkungsvollen Werkzeuge der Betriebswirtschaft, Kostenrechnung, Kalkulation erklärt. Werden einfache Formeln für aussagefähige Kennzahlen memoriert und dokumentiert, wird mit simplen, aber in der Praxis sofort nachvollziehbaren Beispielen operiert, ohne dass auch der eher etwas flüchtige Leser gleich den Faden verliert. Wer investiert, wer als Unternehmensverantwortlicher Neues wagt, muss eben vorher rechnen und wägen, kalkulieren und schätzen, relativieren und quantifizieren. Muss Analysen anstellen, die in komprimierter Form Aussagen treffen oder helfen, Aussagen und Argumente formulieren zu können. Wenn nicht konkrete Hilfen in Hülle und Fülle, dann zumindest Anregungen und Ideen wird man sich in solchen Fällen in diesem Werk holen können. Texte, Tabellen und Diagramme sind frei von erhobenen »ex cathedra«- Zeigefingern und Gelehrten-Verklausulierung. Das Einfache der Sprache tangiert gelegentlich die Grenze zum Banalen das ist der Preis, den die Autoren für Allgemeinverständlichkeit zahlen müssen.
Aufgeführte Beispiele sind in aller Regel knapp gehalten, so dass mancher zum Trugschluss verleitet werden könnte, »sein« Fall oder Problem sei nicht aufgeführt. Das halbe Briefbogenformat tut ein Übriges. Weil keine Seite überladen wirkt und erst gar nicht überladen werden kann, erschreckt auch keine selbst mit mehreren Formeln gespickte Seite. Die Rückseite ist ohnehin beruhigend leer, so dass sich der Blick nur auf das Wesentliche konzentriert und nicht abgelenkt wird.
Waypoints für Einsteiger und »alte Hasen«
Empfehlenswert ist dieses Werk keineswegs nur für »Einsteiger«, sondern vielmehr auch noch für den »alten Hasen«. So mancher wird sich hoffentlich mit schlechtem Gewissen an manch vergessene »goldene Regel« erinnern, an Kennzahlen, die man ja schon seit 30 Jahren immer mal aufstellen wollte und an Diagramme, die man aus Furcht vor der Wahrheit nie in Angriff genommen hat.
Waypoints ist kein Werk, das dogmatisch verlangt, ab sofort müsse alles anders werden, und vorschreibt, wie man nun den Betrieb zu führen hätte. Waypoints ist ein nützliches Kompendium, wenn man das Unternehmen oder die Aufgabe, für die man Verantwortung trägt, mit objektiven Zahlen analysieren, beschreiben, berechnen und begutachten will.
Inhaltsübersicht
In dem Loseblattwerk geht es um Fragen wie:
Ist eine Entwicklung von der Druckerei zum Medien-Provider möglich und unter welchen Bedingungen ist sie sinnvoll?
Wie kann in einer sich rapide ändernden Medienlandschaft ein Druckunternehmen seine eigene Zukunft nicht nur sichern, sondern aktiv gestalten?
Welche Maßnahmen sind erforderlich, welche Chancen existieren, welche Risiken pflastern den Weg in die Zukunft?
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Unternehmen der Druckindustrie vom Computer Integrated Manufacturing (CIM) profitieren kann?
Wann ist die vernetzte Druckerei sinnvoll?
Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, schlägt »Waypoints« eine Vorgehensweise in vier Schritten vor.
1. Positionierung.
Um seine Entwicklungsmöglichkeiten zu definieren, muss ein Unternehmen erst einmal vom Bestehenden ausgehen, das heißt eine Positionierung vornehmen, die sich an der Produktpalette, der Medientiefe und der Prozesstiefe des jeweiligen Unternehmens orientiert.
2. Geschäftsausrichtung
Nach dieser Positionierung muss sich das Unternehmen über seine Geschäftsausrichtung Gedanken machen. Darunter versteht »Waypoints« das Festlegen von Zielsetzungen, aufbauend auf einer Vision. Das kann beispielsweise die stärker gewinnorientierte Tätigkeit im heutigen Geschäftsfeld oder auch das Angebot neuer Dienstleistungen wie medienübergreifendes Datenhandling sein.
3. Maßnahmen
Nach Standortbestimmung und der Festlegung von Zielen gilt es für Unternehmen, Maßnahmen zu treffen, um die Fortentwicklung des Unternehmens zu gewährleisten. Das entsprechende Kapitel von »Waypoints« erläutert Analyseobjekte und Bewertungsmethoden, aus denen konkrete Handlungsalternativen abgeleitet werden können. Schließlich erfolgt eine Bewertung verschiedener Alternativen, die zu allgemeinen Handlungsempfehlungen führen, die »Waypoints« mit Zahlenmaterial und Kennzahlen erleichtert.
4. Praxis
»Waypoints« stellt an Hand dreier Praxisbeispielen dar, wie sich Unternehmen der Druckindustrie positionieren und entwickeln können. Als Beispiele wurden typische Betriebe wie eine kleine Akzidenzdruckerei, eine mittelgroße Akzidenzdruckerei, die ihre Produktpalette um den Digitaldruck erweitert und schließlich ein Media Provider herangezogen. Dieser größere Mittelbetrieb will seine Medientiefe in Richtung Database Publishing erweitern, um seinen Verlagskunden einen umfassenderes Medienangebot bieten zu können.
Die vernetzte Druckerei
Ausgehend von genauen Begriffsdefinitionen überprüft Waypoints im Kapitel 6 die aktuelle Bedeutung des Rationalisierungsansatzes CIM für die Unternehmen der Druckindustrie.
Herausgeber ist die Internationale Senefelder-Stiftung, die Abwicklung des Versands übernimmt der Matthaes-Verlag in Stuttgart. Das Werk kostet 153 Euro in englischer oder deutscher Version, spätere Ergänzunglieferungen 36 Euro. Zur Zeit hat »Waypoints« einen Umfang von rund 300 Seiten, weitere Kapitel werden sukzessive folgen.