Offsetdruck
Ein Husarenstück beim Tausch zweier Zeitungsrotationen
Dienstag 11. Oktober 2005 - Pferdewechsel im vollen Galopp - die Szene kennt man aus dem klassischen Western. Ohne das staunende Kinopublikum vollzieht sich Vergleichbares in Deutschland beim Verlag der "Augsburger Allgemeinen". Die Rollen der Mustangs übernehmen allerdings zwei komplette Zeitungsrotationen.
Nicht weniger Wagemut als der Akt des Cowboys im Film verlangt die Aufgabe von den Akteuren im Nordosten Augsburgs. Das Drehbuch sagt: Aus dem Drucksaal der Presse-Druck- und Verlags-GmbH Augsburg muss die bisherige Zeitungsrotation verschwinden, während gleichzeitig eine neue Einzug hält. Leser und Anzeigenkunden dürfen davon aber nichts merken. Was bedeutet: Die Zeitungen müssen produziert werden, egal wie. Ein modernes Wunder? Nein, nichts anderes als professionelles Teamwork der beteiligten Firmen und Personen: der Technischen Leitung der Presse-Druck- und Verlags-GmbH, des Systemdienstleisters Scholpp aus Stuttgart und der MAN Roland Druckmaschinen AG.
70 Tonnen Beton am Stück
Das Management der Mediengruppe Presse-Druck war überzeugt von der überlegenen Technologie der neuen 24-seitigen COLORMAN im XXL-Format. So hatte man sich Ende 2003 dazu entschieden, den gesamten Rotationsmaschinenpark zu erneuern. Die neue Anlage sollte plangemäß bis 2006 in dem selben Gebäude einziehen, wo bislang eine Wettbewerberanlage aus dem Jahre 1979/80 die größte regionale Abonnementzeitung Bayerns druckte. Haken und Ösen eingeschlossen: Die gesamte Rotation stand nämlich auf einem Betonstuhl über der Ebene der Rollenwechsler. Seine Tragfähigkeit stellten Betonbrücken quer zur Hallenrichtung mit je rund 70 Tonnen Gewicht sicher. Das hieß, auch die Betonbrücken auszutauschen, um den neuen Belastungsverhältnissen der COLORMAN, XXL gerecht zu werden. Trotzdem übernahm MAN Roland die Generalunternehmerschaft für das diffizile Unterfangen. Wenn auch Gesamtprojektleiter Karl Berchtold schon anfangs neue Erfahrungen einräumt: „Damit hat MAN Roland seine Integrationskompetenz noch einmal erweitert.“ Doch Eike Bühring, stellvertretender Technischer Leiter von Presse-Druck, entschärft das Thema: „Generalunternehmerschaft heißt für uns nicht, uns auf die Auftraggeber-Position zurückzuziehen, um dann die Verantwortung zu verschieben.“
Puzzle im Großformat
Allein schon die Ausbringung der Betonbrücken mit einer Länge von 10,50 Metern erfordert bei einer gesamten Hallenbreite von 10,80 Metern ein hohes Maß an technischer Kreativität. Oder wie es Andreas Vötterle, Leitung Technische Dienste bei Presse-Druck, ausdrückt: „Es ist ein schwieriger Prozess in der Findung von Lösungsvarianten.“ Gerade er muss das wissen: Denn in seiner Funktion als Gebäudemanager bildet Vötterle die Hauptschnittstelle zu MAN Roland. Für keine der auftretenden Einzelaufgaben liegen exakte Erfahrungen vor. Spezialist für solche Pioniertaten ist die Firma Scholpp aus Stuttgart, die sich in der Branche bereits einen entsprechenden Ruf erworben hat. „Je schwieriger – je mehr Scholpp“, zitiert Geschäftsführer Manfred Elis eine bei Kunden gängige Redewendung. Für die Einbringung und Platzierung von Druckmaschinen in bestehende Gebäude, die nicht verändert werden können, erfand und entwickelte Scholpp vor über 30 Jahren eigens die sogenannte „Portaltechnik“. Wie findet Omas Schrank durch die Wohnzimmertür, wenn davor noch die Diele ein Nadelöhr bildet? – Fragen wie bei einem gewöhnlichen Umzug beschäftigen auch bei Presse-Druck die Expertenteams. Nur in ganz anderen Dimensionen! So bei der Einbringung der neuen, breiteren COLORMAN-Druckwerke. MAN Roland-Projektleiter Karl Berchtold vergleicht es mit der Aufgabe, „einen 45-er Herrenschuh in einen 36-er Schuhkarton zu verpacken“.
Zehn Millimeter Spielraum
Das wird deutlich, wenn ein Druckwerk von immerhin 55 Tonnen Gewicht – wie geschehen – einen Weg von viereinhalb Metern mit nur zehn Millimeter Spielraum in der Breite zurücklegen muss: dies an der Hallenwand einerseits und einem Druckwerk andererseits entlang. Im Endeffekt dauert das knapp eine Stunde. Doch Andreas Vötterle kennt das Geheimnis: „Das meiste Gehirnschmalz muss schon vor so einer Aktion investiert werden.“ Aber schon nach wenigen Wochen konnte Eike Bühring resümieren: „Der Ablauf geht absolut ruhig, ohne Hektik und professionell vor sich. Wir sind überrascht, wie gut das gehandelt wird.“ „Ein statischer Plan wäre hier kläglich zum Scheitern verurteilt,“ weiß Karl Berchtold. So bedient man sich einer wesentlich flexibleren „mitlaufenden Planung“. Wöchentliche und in den Hauptaktionszeiten sogar tägliche Meetings begleiten das Projekt. Lösungswege und Varianten werden dabei diskutiert, Entscheidungen kurzfristig gefällt. Im Detail verändert das kurzfristig immer wieder einzelne Termine. „Jede Abteilung weiß dann aber exakt, was wann zu tun ist“, bekräftigt Hubert Beier, der dem Projektleiter als verlängerter Arm im Werk von MAN Roland zuarbeitet. Seine Überzeugung: „Es geht wirklich nur in tagtäglicher Kommunikation aller Beteiligten, um die Aufgaben zu definieren.“