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Offsetdruck

Die neu belebte Rivalität zweier Druckverfahren

Freitag 15. September 2006 - Alteingesessene Tiefdruckhäuser halten nach wie vor an diesem bewährten Verfahren fest und haben gerade in jüngster Zeit kräftig investiert. Große industrielle Rollenoffsetdrucker, für die sich der Tiefdruck rechnen könnte, scheuen in der Regel wegen der neu aufzubauenden Infrastruktur rund um die Maschine den Sprung in den Tiefdruck. Dabei spielen Berührungsängste mit den Tücken des jeweils anderen Verfahrens sicher eine Rolle, aber nicht die einzige.

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Die Weiterentwicklungen im Rollenoffset und Publikationstiefdruck in den letzten Jahren halten die lebhafte Diskussion um die Stärken und Schwächen beider Verfahren unvermindert am Leben. Der Tiefdruck legt mit bis zu 4,32 Metern Papierbahnbreite und seiner deutlich größeren Formatflexibilität die Produktivitäts-Messlatte immer höher. Aber auch die führenden Hersteller von Offsetdruckmaschinen rühmen sich mittlerweile bereits Bahnbreiten von über 2 Metern und denken laut über noch größere Breiten nach. Heute zeigt sich, dass der in hohem Maße industrielle Tiefdruck mit seiner durchgehenden Automatisierung auf allen Prozessebenen (von der Zylindergravur bis zur Verladerampe) nach wie vor eine starke Marktposition im Katalog- und Zeitschriftendruck hat. An den Schnittstellen beider Verfahren wird hart um Aufträge gekämpft. Wer im Einzelfall die Nase vorn hat, hängt von vielen Faktoren ab und ist nicht einfach mit der Formel „Niedrige Auflagenhöhe = Offsetdruck“ zu beantworten.

Schnelle Durchlaufzeiten der Vorstufe
Betrachtet man die Entwicklung in der Tiefdruck-Vorstufe, so haben die Anwendung digitaler Prozessstrecken und die Direktumwandlung der Daten in den Gravieranlagen eine erhebliche Zeitverkürzung bei der Abwicklung von Druckaufträgen ermöglicht und zur weiteren Qualitätsverbesserung beigetragen. Noch feinere Tonwertübergänge und eine bessere Glättung der Schriftränder wurden erreicht. So gelingt es einigen Tiefdruckereien in Europa, für dieses Verfahren relativ niedrige Auflagen zwischen 200.000 und 300.000 Exemplaren gewinnbringend zu drucken. Durch die hohe Standardisierung des Druckprozesses und der Vorstufe ist der digitale Andruck aussagekräftig und auf einen Maschinenandruck kann in vielen Fällen verzichtet werden.

Variabilität senkt Papierverbrauch
Vergleicht man den Papierverbrauch, hat der Tiefdruck gegenüber dem Offset Vorteile. Die Variabilität des Formzylinderumfangs erlaubt es, den Umfang des Druckzylinders exakt an das gewünschte Format anzupassen. Zugaben im Beschnitt für Punkturen sind nicht erforderlich. Für den Akzidenzdrucker ist bei einer Neuinvestition die Wahl des richtigen Formates schwer zu bestimmen, da künftige Formatwünsche kaum vorhersehbar sind. Der Tiefdrucker dagegen hat keinerlei Schwierigkeiten, den verschiedenen Formattrends der Zukunft zu folgen. Kalkulatorisch werden im Offset deutlich größere Makulaturzuschläge angesetzt, die insbesondere im 2-Bahnen-Betrieb noch steigen. Neben dem Papierverbrauch haben Doppelumfang-Rotationen den Nachteil, dass bei Veränderung einer Farbmessereinstellung sofort alle vier Seiten am Umfang von der Korrektur betroffen sind, obwohl eigentlich nur eine Seite anzupassen ist.

Eindruckwechsel für Teilauflagen
Die Vielfalt der Produktgestaltung im Tiefdruck resultiert aus der Kombination zwischen Überbau und Variabilität des Falzapparates. Durch eine systematische Nutzung der spezifischen Vorteile ist der Tiefdruck auch auf dem Akzidenzsektor durchaus erfolgreich. Sogar bei Werbebeilagen mit hohen Auflagen hat er seine Vorteile. Die meist niedrigseitigen Produkte können auf den breiten Tiefdruckanlagen kostengünstig und schnell mit Mehrfachnutzen mittels zwei oder sogar drei Trichtern hergestellt werden. Mit ein oder zwei Flexo-Eindruckwerken sind bei voller Produktionsgeschwindigkeit fliegende Wechseleindrucke (z. B. Sprachwechsel) möglich. So können Tiefdruckanlagen oft auch im wachsenden Marktsegment der niedrigseitigen Produkte deutlich unterhalb von Millionen-Auflagen flexibel eingesetzt werden.

Im Vergleich der Produktionsgeschwindigkeiten hat der Tiefdruck immer noch einen Vorsprung, insbesondere wenn die reinen Nettoleistungen betrachtet werden. Der Druckvorgang im Tiefdruck ist prozessbedingt wesentlich problemloser als die Handhabung des komplizierteren Offsetdrucks mit Farb- und Feuchtwerken. Bei den Falzapparaten hat der Offset sinnvolle Techniken wie die Greifertechnologie oder Falzsysteme mit 5:5- und 7:7-Teilungsverhältnis vom Tiefdruck übernommen und konnte damit seine Produktionsgeschwindigkeit und teilweise auch Produktionsflexibilität (z. B. beim formatvariablen V5-Falzapparat von KBA) deutlich erhöhen.

Umweltbilanz im Vergleich
Die Vermeidung von Abfallstoffen und die Verringerung des Energieeinsatzes gewinnen auch aufgrund strengerer Umweltgesetze und steigender Energiekosten immer mehr an Bedeutung. Ein Schwerpunkt wird auch in Zukunft die Reduktion der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) zur Verringerung der Luftbelastungen sein. Durch den Trocknungsprozess wird im Offset fast der gesamte Mineralölanteil ausgetrieben und das Rohgas in der thermischen Abgasreinigungsanlage verbrannt. Trotz der Reduktion des Alkoholanteils im Feuchtmittel ist die Gesamtverbrauchsmenge oft immer noch recht hoch. Die Waschvorgänge für die Farbwerksreinigung und die Gummitücher haben eine hohe Emissionsrelevanz. Im Tiefdruck kommt für die Druckfarben Toluol als Lösemittel zum Einsatz, da es sowohl die verwendeten Bindemittel ausgezeichnet löst, als auch in den Trockenkammern unter geringem Energieeinsatz schnell verdampft und durch Adsorption an Aktivkohle fast vollständig zurückgewonnen werden kann. Das zurückgewonnene Toluol kommt innerhalb des Betriebes erneut zum Verdünnen der Druckfarbe zum Einsatz oder wird an die Druckfarbenhersteller zum Wiedereinsatz verkauft – eine ideale Kreislaufwirtschaft.

Ein Resümee
Der Offset hat aufgrund der kostengünstigen und schnell herzustellenden Druckform Vorteile, wenn Produkte mit geringer Seitenzahl bei gleichzeitig niedrigen Auflagenhöhen produziert werden sollen. Denkt man allerdings an die teilweise hohen Auflagen von Werbebeilagen mit geringer Seitenzahl, so kann der Tiefdruck ökonomisch die bessere Alternative sein. Welche Aufträge letztlich an den Tief- oder Offsetdruck gehen, muss für jeden Einzelfall unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden – eine klare Grenze für den sinnvollen Einsatz des jeweiligen Verfahrens gibt es nicht. Allgemein lässt sich für den Tiefdruck feststellen, dass kleine Seitenzahlen bei hohen Auflagen und hohe Seitenzahlen bei niedrigen bis mittleren Auflagen wirtschaftlich interessant sind. Die Pluspunkte für den Tiefdruck steigen, wenn die Exemplargrößen von den Standardformaten der Offsetrotationen abweichen, da kein unnötiger Papierabfall entsteht. Die höheren Druckformkosten werden durch Einsparungen an anderer Stelle (insbesondere Personal und Papier) kompensiert. Die großen Tiefdruckhäuser können im industriellen Massendruck die Kostenvorteile ihrer durchrationalisierten Betriebe und ihre länderübergreifenden Vertriebsnetze gegenüber den stärker regional agierenden Rollenoffsetdruckern ausspielen.

www.kba.com
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