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„Bedrucktes Papier ist ein haptisches Erlebnis.“

Dr. Rolf Seißer war von 1960 bis 1987 VDMA-Geschäftsführer für die Druck- und Papiertechnik.

Dienstag 12. Juli 2011 - VDMA-Interview mit Dr. Rolf Seißer, von 1960 bis 1987 VDMA-Geschäftsführer für die Druck- und Papiertechnik und Verfasser einer drupa-Chronik.

Herr Dr. Seißer, die drupa ist 2011 60 Jahre alt geworden. Was unterscheidet sie in ihrem heutigen Erscheinungsbild von den Anfängen?

Dr. Seißer: Verglichen mit heute war die erste drupa 1951 klein. Damals aber setzte sie größenmäßig völlig neue Maßstäbe. Man wollte ein Zeichen setzen, dass die deutsche Maschinenindustrie wieder da ist und sich bemüht, das Tor zur Welt wieder zu öffnen. Vor dem Krieg war das Zentrum der Branche in Leipzig gewesen. Dort war seit 1914 auch die entsprechende Messe abgehalten worden, die Bugra. Auf der Bugra hatten selbst die Großen der Branche Messestände zwischen 25 und 30 Quadratmetern. Auf der ersten drupa waren es 300 Quadratmeter und mehr. Für viele Besucher war die erste drupa ein regelrechtes Schock-Erlebnis. So etwas hatten sie vorher noch nie gesehen.

Von wem ging die Initiative zur Gründung der Messe aus? Warum war eine solche Messe nötig?

Dr. Seißer: Das war ganz wesentlich das Werk von Hubert H.A. Sternberg, Vorstandsvorsitzender der Schnellpressenfabrik AG Heidelberg. Das war der frühere Name der Heidelberger Druckmaschinen AG. Er hatte Visionen und die Kraft, sie durchzusetzen. Auf ihn geht die Idee zurück, eine Messe in einer ganz neuen Dimension zu organisieren. Die Messe war nötig, damit die deutschen Druckmaschinenbauer wieder eine internationale Plattform bekamen. Mit einem Exportanteil von damals schon 50 bis 60 Prozent lebte der Druckmaschinenbau von der internationalen Ausrichtung.

Warum fiel die Entscheidung für Düsseldorf?

Dr. Seißer: Die Wahl des Ausstellungsortes war angesichts der Zerstörung von Messehallen und Hotels in allen in Frage kommenden Städten nicht leicht. In Betracht kamen Düsseldorf, Frankfurt und Köln. Die Messe in Frankfurt war größer, als die in Düsseldorf. Deshalb war die Mehrheit der Verbandsunternehmen anfangs für Frankfurt. Aber Sternberg hielt die Düsseldorfer Messegesellschaft für effizienter. Er knüpfte die ihm angetragene drupa-Präsidentschaft an den Standort Düsseldorf. Der Messegesellschaft Nowea rang er das Versprechen ab, zusätzliche Ausstellungsfläche zu schaffen. Sernberg war von 1951 bis 1967 Präsident der drupa.

Viele deutsche Druckmaschinenbauer sind seit Langem Weltmarktführer. Was ist das Erfolgsrezept der deutschen Druckmaschinenindustrie?

Dr. Seißer: Der Druckmaschinenbau erfordert besonders große Fertigkeiten von Ingenieuren, aber auch von Facharbeitern. Im frühen 19. Jahrhundert waren diese Fertigkeiten vor allem in England zu finden. Deutschland spielte in diesem vorindustriellen Zeitalter noch keine Rolle. Das änderte sich aber schnell. Ein wichtiges Erfolgrezept für unsere Industrie ist das deutsche Ausbildungssystem, das seinen Ursprung im Zunftwesen des Mittelalters hat. Es bildet die Grundlage für die Ausbildung von Facharbeitern. Aber auch der vergleichsweise schrankenlose Zugang zu höherer Ausbildung war über eine lange Zeitspanne hinweg ein Wettbewerbsvorteil. In England, zum Beispiel, fehlte die Breite und Tiefe des deutschen Ausbildungssystems.

Warum hat Druck Zukunft?

Dr. Seißer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keine Bücher mehr gibt. Bedrucktes Papier ist ein haptisches Erlebnis. Verschiedene Drucksachen werden natürlich verdrängt, aber gute Bücher wird es immer geben. Auch Verpackung ist ohne Druck nicht denkbar.

Die drupa ist 60 geworden. Wird es in 60 Jahren noch eine drupa geben?

Dr. Seißer: Ja, selbstverständlich. Die Druckindustrie hat schon in der Vergangenheit gezeigt, wie anpassungsfähig sie ist. Der Druckmarkt hat sich über die Jahre immer verändert. Zum Beispiel werden heute viele Drucksachen von den Kunden selber gemacht – vom Flyer bis zu Dienstplänen. Darüber hinaus sind viele Produktionsschritte etwa in der Druckvorstufe verschwunden – und damit wurden auch ganze Berufszweige verdrängt. Aber die Druckmaschinenbauer passen sich an. Deshalb werden sie auch in Zukunft eine Plattform brauchen, auf der sie sich präsentieren können.

Was ist seit der Erfindung des Buchdrucks die wichtigste Weiterentwicklung in der Drucktechnik?

Dr. Seißer: Johannes Gutenberg hat den Bleisatz erfunden und die manuelle Druckerpresse entwickelt. Aber Friedrich Koenig, der 1817 in Zell am Main die erste Druckmaschinenfabrik gegründet hat, erfand 1812 in London die Zylinderschnellpresse. Ende 1814 wurde die „Times“ erstmals von einer dampfgetriebenen Schnellpresse gedruckt. Bis dahin waren Drucksachen manuell erstellt worden. Diese Erfindung war die Initialzündung für die Industrialisierung des graphischen Gewerbes.

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