Aus den Unternehmen
KI in der Druckindustrie für viele für immer ein Luftschloss von Dr. Johannes Warther
Samstag 14. Oktober 2023 - Künstliche Intelligenz (KI) verfügt über eine vergleichbare Medienpräsenz in unserer Branche, wie die Papierpreissituation im vergangenen Jahr 2022. Landauf, landab werden wenige Gelegenheiten ausgelassen, KI als grandiose Problemlösung der Zukunft zu präsentieren. Das schürt Hoffnung und schafft Begehrlichkeiten - gut für alle, die über eine "KI-Lösung" im Angebotsportfolio verfügen. Dabei ist unbestritten, dass die rasante und zunehmende Geschwindigkeit, mit der KI Modelle und deren Fähigkeiten sich aktuell weiter entwickeln beeindruckend ist.
Dennoch nimmt Apenberg & Partner ein verzerrtes Bild im Markt wahr. Nicht, weil die Fähigkeiten künstlicher Intelligenzen übertrieben würden, sondern, weil viel zu wenig über die notwendigen Voraussetzungen gesprochen wird.
Denn: KI ist kein Zauberstab, den man heute auspackt, morgen über das eigene Unternehmen schwenkt und im Anschluss grandiose Erkenntnisse in der Hand hält. KI ist vielmehr ein Werkzeug und besitzt – wie jedes Werkzeug – konkrete Anwendungsfälle mit konkreten Voraussetzungen. Solange die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wird das Werkzeug nicht funktionieren. So wird Sie der Versuch, einen Nagel mit dem Akkuschrauber in der Schrankwand zu versenken, rechtschaffen zur Verzweiflung bringen. Ohne die notwendigen Schlitze im Nagel- bzw. dann wohl eher Schraubenkopf (Voraussetzung) verfügt das Werkzeug (Akkuschrauber) nicht über den benötigten Angriffspunkt.
Ebenso verhält es sich mit KI. Neben den Betriebsnotwendigkeiten des Werkzeugs (Strom, Rechenleistung, etc.), existieren auch Anforderungen an den Werkstoff, der mit dem Werkzeug be- oder verarbeitet werden soll. Im Falle von künstlicher Intelligenz ist der Werkstoff Daten. Diese müssen zunächst einmal überhaupt existieren, ebenso wie Sie im obigen Beispiel zunächst einen Nagel benötigen. Damit aber nicht genug. Die Daten werden, je nachdem welche Form künstlicher Intelligenz konkret eingesetzt werden soll, auch konkrete Eigenschaften mitbringen müssen. Fehlen diese Eigenschaften – so wie die Schlitze im Nagelkopf – ist der Werkstoff in Verbindung mit dem Werkzeug nicht zu gebrauchen.
Nun unterscheiden sich die Anforderungen an den Werkstoff (Daten) je nach Werkzeug (KI-Variante). Es existieren aber dennoch einige grundlegende, universelle Anforderungen. So werden Sie die Daten in gewisser Menge und Aktualität benötigen, weshalb eine automatische Entstehung der Daten in vielen Fällen zur zwingenden Voraussetzung wird. Ebenso sollten die Daten, welche Ihr Unternehmen automatisch generiert einen ausreichenden Bezug zur Realität besitzen, also valide sein, damit die Erkenntnisse der KI entsprechend auch in der realen Welt anwendbar bleiben (siehe „Shit in, shit out“). Zu guter Letzt sollten die Daten einen abgegrenzten Teilprozess bzw. den Gesamtprozess sinnvoll abbilden. So werden Sie zum Beispiel keine nachhaltige Vertriebssteuerung implementieren können, ohne die tatsächliche Performance (Nachkalkulation) gegen die im Vertrieb angenommenen Verkaufswerte (Vorkalkulation) abzugleichen.
Hierüber wird, für unseren Geschmack, viel zu selten offen gesprochen. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der kurzweilige Vortrag von Tobias Kaase und Dominik Haacke dar, den ich auf dem diesjährigen OPS genießen durfte. Hier beschreibt die Geschäftsführung der media print solutions aus Paderborn ihren steinigen, aber lohnenswerten Weg zum Einsatz von KI – und so viel sei vorweg genommen: die Rede ist von vier Phasen (Daten Strategie, Daten Technik, Business Intelligence & Analytics und dann erst KI) und ebenso vielen Jahren aufwendiger Transformation der eigenen Prozesse sowie der eingesetzten Software-Lösungen.
Vergleicht man diese Realität mit der Erkenntnis, dass 76 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage von Apenberg & Partner angeben, ihren eigenen Daten nicht zu trauen, muss man zu dem Schluss kommen, dass KI für viele Unternehmen der Druckindustrie in weiterer Ferne liegt, als diese selber vielleicht denken mögen. Wie sehen Sie das? Welche Erfahrungen haben Sie auf Ihrem Weg in Richtung Digitalisierung gemacht? Lassen Sie uns gerne darüber sprechen!