Verpackung
34. Dresdner Verpackungstagung
Mittwoch 18. Dezember 2024 - Handel, Marken, Maschinenbau, Forschung, NGO, Start-ups und studierender Nachwuchs: Die 34. Dresdner Verpackungstagung bot ihren über 200 Teilnehmern vom 5. bis zum 6. Dezember 2024 unter dem Motto "Alles dreht sich" ein volles Programm mit 19 Vorträgen, einem Ministerpräsidenten, Produkt- und Technologie-Premieren, viel Dialog und Diskussion entlang der Wertschöpfungskette sowie einer doppelten Hausmesse im Vorfeld.
„Alle, die mit der Verpackungsindustrie zu tun haben, wissen, es dreht sich im Moment wirklich alles, sowohl materialtechnisch als auch konjunkturseitig. Dazu kommt, dass Verpackungen noch immer viel zu oft als Müll und überflüssig betrachtet werden. Auch das wollen wir drehen. Deshalb haben wir ein reichhaltiges Programm zusammengestellt über globale Herausforderungen, Ressourcen, Mehrweg, Kreislaufwirtschaft, Ideen, die etwas verändern können, und Innovationen rund um Verpackungen“, begrüßte Moderator und dvi-Seniorberater Winfried Batzke die Tagung im sehr gut gefüllten Saal der Dreikönigskirche in Dresden.
Mehrweg und Kunststoff
Der grundsätzliche Einstieg in das Thema Mehrweg kam von Laura Griestop, Senior Manager Sustainable Business & Markets von WWF Deutschland. Sie lieferte den Teilnehmern einen spannenden Erfahrungsbericht aus erster Hand vom Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic Pollution (INC-5) aus Busan. Ihr Fazit: „Wir brauchen einen besseren Umgang mit dem Hochleistungsmaterial Kunststoff.“ Im zweiten Teil ihres Vortrags gab Griestop einen kompakten und fundierten Überblick zum Thema Mehrweg auf globaler, europäischer und nationaler Ebene. Sie schilderte die aktuelle Situation, stellte heraus, was bereits läuft und was noch fehlt.
Mehrweg: Lösung oder Illusion?
Bis kurz vor die Mittagspause ging es danach in vier Vorträgen um die Frage, wie Mehrweg konkret funktionieren kann. Den Anfang machte eine unternehmensübergreifende Initiative zur Schaffung einer standardisierten Branchenlösung für B2C-Mehrwegversandpackungen, die Barbara Möbius, Projektmanagerin Logistik bei Tchibo, vorstellte.
Danach präsentierte Sarah Rollinger, Business Development Manager der Cartonplast Group, ihre nach eigener Aussage marktführenden Mehrweg-Verpackungslösungen bei wiederverwendbaren Transportverpackungen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie.
Wie sich der Übergang von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft beschleunigen lässt, zeigte Davide Mazzanti, CEO von sykell, den Teilnehmern anhand seines ganzheitlichen „Einfach Mehrweg“-Systems für To-Go-Speisen und -Getränke. Teil der Lösung ist auch die Asset-Management-Plattform CIRCULAR ERP, über die sich ein pfandbasierter offener Pool von Behältern über mehrere Kunden und Betriebspartner hinweg verwalten lässt.
Den Abschluss des ersten Blocks lieferte Veronika Pfender, Gründerin und Geschäftsführerin der dotch GmbH, mit der Vorstellung einer Mehrweg-as-a-Service-Lösung aus Glas für vorverpackte Lebensmittel. „Damit wird Mehrweg so einfach wie Einweg“, versprach Pfender, die für ihre Lösung im Herbst den Deutschen Verpackungspreis gewonnen hatte.
Grußwort des sächsischen Ministerpräsidenten
Hohen Besuch erhielt die Dresdner Verpackungstagung zum Ende des Donnerstagvormittags. Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, ehrte die Branche mit einem Grußwort. Der studierte Wirtschaftsingenieur ging auf das immer schwieriger werdende Umfeld ein, in dem die Konjunkturschwäche für weniger Geld und zentrale Faktoren wie Energie und Löhne für steigende Kosten sorgten. „Wenn man teurer wird, als man besser ist, dann endet das Erfolgsmodell. Deshalb müssen wir ökonomisch erfolgreich bleiben, sonst wird das auch mit den Umweltthemen nichts“, mahnte Kretschmer. Der Ministerpräsident sprach über Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung, Work-Life-Balance und die Aufgaben der Politik, die für all das „Rahmen und Grundlagen geben muss und nicht im Weg stehen darf“. Kretschmer schloss: „Ich finde es spannend und innovativ, was sie hier leisten. Ich wünsche uns und auch Ihrer Branche, dass wir wieder richtig auf die Beine kommen. Denn wenn es in der Verpackungsindustrie richtig gut läuft, ist das ein Zeichen, dass es insgesamt gut läuft.“
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch Künstliche Intelligenz
„Wir steigen ein in die Tiefen – oder Höhen – der Wissenschaft“, begrüßte Winfried Batzke die Teilnehmer nach der Mittagspause zurück im Saal. Auf dem Programm standen zehn Blitz-Vorträge von Wissenschaftlern und Forschern des Innovationslabors K3I-Cycling, zu dessen Partnern auch das dvi gehört. Das Labor arbeitet als Teilprogramm des staatlich geförderten KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen an intelligenten Lösungen zur Schließung des Kreislaufs. Die Themen reichten von Spritzgießen und Thermoformen mit Rezyklaten und einem webbasierten Tool zur ökologischen Bewertung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil bis hin zu Semantischen Datenräumen, Störstoffselektion durch Röntgen, Artifical Neural Twins und einem Multisensor Benchmark Datensatz für Leichtverpackungen.
PPWR, flexible Verpackungen und digitales Heizen
Marcus Stein, CEO der watttron GmbH, und Dr. Thomas Gröner, selbstständiger Berater und watttron-Aufsichtsratsmitglied, gingen in ihren Vorträgen der Frage nach, was die PPWR für flexible Verpackungen bedeutet und wie sich die daraus ergebenden Herausforderungen lösen lassen. „Eine besondere Herausforderung sind flexible Verpackungen. Wir haben in Europa jährlich 8,4 Millionen Tonnen flexibler Verpackungen. 3,2 Millionen Tonnen davon sind Verbundfolien, die nur eingeschränkt recycelbar sind“, erklärte Gröner. Marcus Stein lieferte konkrete Einblicke, wie diese Herausforderung gelöst werden kann. Zum Beispiel durch ‚Digitales Heizen‘ in der Maschinentechnik, das Monomaterial-Lösungen für Konsumgüterproduzenten möglich macht.
Fünf Start-ups mit spannenden Lösungen
Zum Abschluss des Tagungsdonnerstags schlug die Uhr Start-up. Die Teilnehmer der Dresdner Verpackungstagung bekamen Einblicke in spannende Lösungen, die noch nicht jeder kennt, aber kennen sollte. So stellte Osphim Hard- und Software seiner KI-gestützten Prozesseinrichtung für maximale Effizienz und höchste Präzision beim Spritzgießen vor. Es gab Einblicke in das ökologische und nachhaltige Verpackungsmaterial Recou aus Getreidespelzen von Proservation. Wax Solutions präsentierte seine biobasierten Barriere-Coatings für Verpackungspapiere. Green Hydrogen Technology zeigte einen spannenden Weg zu günstigem Wasserstoff aus Abfall, der bislang in die Verbrennung geht, und reuse.me präsentierte sich als größtes Netzwerk für die Rückgabe von Versandverpackungen.
Start in den Freitag: PPWR und Innovationen
„Im Plenarsitzungsdokument des EU-Parlaments zur Annahme der PPWR gab es das Wort ‚Innovation‘ auf 344 Seiten unter 61.905 Wörtern genau vier Mal. Das ist ziemlich erschreckend. Und doch hat die PPWR Auswirkungen auf Innovationen und treibt diese auch voran, weil man Lösungen finden muss, die man vorher noch nicht hatte. Wie man die rechtlichen Vorgaben nutzen muss, um Innovationen voranzubringen, zeigen wir heute anhand von fünf Beiträgen“, leitete Moderator Winfried Batzke den zweiten Tag der Verpackungstagung ein.
Valuetainable mit Ultraschall
Den Anfang machte Robert Hueber, Business Unit Director PACKAGING von Herrmann Ultraschall. Für ihn ist klar, dass Abwarten keine Option darstellt. „Als warnendes Beispiel sollte uns die Automobilindustrie dienen. Niemand konnte sich vor 15 Jahren vorstellen, in welcher Situation die Branche heute ist. Das beste Mittel, um dieses Schicksal zu vermeiden ist die technologische Innovation, am besten auf Game-Changing-Level“, so Hueber, der dazu spannende Einblicke für den Bereich Ultraschall gab. „Ultraschall schafft sehr schlanke Nähte. Je dünner die Naht, desto materialsparender ist es. Das Kopfraumvolumen von Verpackungen kann verringert werden, was 10 bis 20 Prozent Verpackungsmaterial einspart.“ Auch bei der Geschwindigkeit lege man stetig weiter zu. „Wir haben Siegelzeiten von 90 bis 180 Millisekunden, schaffen mehr Durchsatz bei mehr Qualität“, so Hueber.
Mit PS in die Zukunft
Zwei Marktführer auf dem Weg zum idealen Kreislauf: Wie und warum Polystyrol-Rezyklat im Joghurt-Becher eine Zukunft hat und zum Vorreiter für weitere Anwendungen werden kann und soll, erfuhren die Tagungsteilnehmer von Lena Lembach, Senior Specialist Packaging Development der Müller Service GmbH, und Dr. Frank Eisenträger, ECO & Market Development Manager von INEOS Styrolution. Nach ihrer Überzeugung sind Polystyrol und Molkereiverpackungen eine tolle Kombination. Ziel der Zusammenarbeit, an der sich auch PreZero, Lidl und weitere Partner der Wertschöpfungskette beteiligen, war ein Becher mit 30 Prozent mechanisch recyceltem r-PS aus PCR. „Es gab viele Kritiker, die das nur im Rahmen von chemischem Recycling möglich sahen. Aber es geht mit mechanischem Recycling. Noch ist das etwas teurer als Virgin-Material, aber das kann, soll und wird sich ändern. Ab Anfang 2025 steht der Becher in Ihrem Supermarkt um die Ecke“, kündigte Lembach an.
Vom Plastikregen in die Papiertraufe
Was passiert, wenn man Verpackungsmaterialien ersetzt, ohne sich ausreichend Gedanken über die Auswirkungen zu machen? Diese Frage beleuchtet Arno Melchior, Global Packaging Director von Reckitt, in seinem sehr pointierten und mit vielen Zahlen hinterlegten Vortrag. Melchiors Appell: „Schauen Sie sich nie generelle Daten an. Schauen Sie immer auf spezifische Anwendungen und machen Sie ein Life-Cycle-Assessment dazu.“ Anhand von konkreten Cases verglich Melchior den Einsatz von PET und Glas sowie Verbundbeuteln und Karton und stellte zu letzterem fest: „Toll, wenn man 250.000 Tonnen Plastik sparen kann. Aber nicht so schön, wenn man dafür 2,7 Millionen Tonnen Karton investieren muss“. Für Melchior ist Papier zumindest theoretisch als Lösung denkbar, auch wenn der Rohstoff Holz bereits jetzt knapp und für andere, hochwertige Anwendungen benötigt wird. Glas falle schon von vornherein aufgrund der erforderlichen Menge aus.
PackAGEing – wie die Verpackungen fit im Alter bleiben
Helena Bomholt, Nachhaltigkeitsmanagerin der Dirk Rossmann GmbH, zeigte anhand von zum Teil erstmals präsentierten Lösungen, welche Punkte Rossmann bei der Entwicklung nachhaltiger Verpackungen fokussiert. „28 Eigenmarken mit mehr als 5.000 Artikeln bringen eine gewisse Verantwortung mit sich“, so Bomholt. Im Fazit ihres Vortrages konstatierte die Nachhaltigkeitsmanagerin, dass es schon gut gelinge, dem Material mehrere Leben zu schenken, das Potential aber noch lange nicht ausgereizt sei. Mit Blick auf die PPWR sei noch vieles unklar oder scheine kaum lösbar. „Wir müssen es aber versuchen, auch in Bereichen, in denen es den Konsumenten vielleicht gar nicht auffällt“, so Bomholt. Grundlegend für den Erfolg sei Innovation durch Kooperation. Es gelte, gemeinsam nachhaltig zu handeln.
Wandel meistern: Materialwechsel und digitales Verpackungsmanagement
Lösungen für die Herausforderungen durch Materialwechsel und beim digitalen Verpackungsmanagement standen im Mittelpunkt des Vortrags von Jonas Boland, Gründer und CEO, sowie Tobias Linnardi, Head of Packaging Engineering, der Packmatic GmbH. Den Umfang des anstehenden Wechsels verdeutlicht die Tatsache, dass laut Boland „2025 nur elf Prozent der eingesetzten Verpackungen nach PPWR als recyclingfähig gelten. Wir sehen also erst die Spitze des Eisbergs. Und man wird nicht für jede neue Herausforderung neues Personal einstellen können.“ Auch mit Blick auf Preise gebe es große Herausforderungen: „Alle wollen den Wandel, alle wollen nachhaltiger werden, aber kostenseitig soll es neutral sein.“ Abhilfe und Zukunftssicherheit verspricht Packmatic durch den Einsatz seines digitalen Tools für Konformitätsprüfung und Verpackungsmanagement sowie seiner Smart-Matching-Plattform für optimierten Einkauf. Unter dem Strich stünden neben Transparenz, Effizienz und Zukunftssicherheit eine durchschnittliche Kostenersparnis von gut 16 Prozent und ein Zeitgewinn von über 70 Prozent.
Hausmesse im Vorfeld
Bereits einen Tag vor der Tagung hatten die watttron GmbH und die FormerFab GmbH im nahegelegenen Freital zu Hausmessen geladen. Mehr als 70 Gäste konnten sich an sechs verschiedenen Stationen die Arbeit von watttron, die mit innovativer Siegeltechnologie energieeffizient Verpackungen verschließen, und von FormerFab, die mit ihren Formschultern insbesondere Papier auf vertikalen und horizontalen Verpackungslinien mit höchsten Geschwindigkeiten zum Laufen bringen, anschauen. Die innovativen Stationen weckten viel Neugier und waren Anlass für lebhafte Diskussionen.
Studierender Nachwuchs vor Ort
Was die Dresdner Tagung seit vielen Jahren ausmacht, ist auch der zahlreich vertretene studierende Nachwuchs, der dieses Jahr von der Berliner Hochschule für Technik, der HTWK Leipzig, der Hochschule Hannover, der HDM Stuttgart, der TU Dresden, der Hochschule München, der Hochschule Karlsruhe und der Universität Kassel angereist war. Die anwesenden Firmenvertreter konnten sich mit Hilfe ausgehängter Profile an der Studi-Wand im Saal einen Überblick verschaffen und interessante Studierende direkt ansprechen. Der Nachwuchs konnte seinerseits an einer Angebotswand nach spannenden Praktika, Bachelor- und Masterarbeiten sowie Jobs suchen.
Partner und Sponsoren
Das dvi bedankt sich für die Unterstützung bei der FACHPACK als Premiumpartner des dvi, bei Mitsubishi Electric als Großsponsor, beim langjährigen Sponsor Gerhard Schubert GmbH und den erstmaligen Sponsoren Hermann Ultraschall, watttron GmbH, FormerFab GmbH und Packmatic GmbH.