Zeitung & Versandraum
Wie sieht die Zukunft der Zeitung aus?
Dienstag 18. Juli 2006 - Die Zeitungsexperten von MAN Roland im Interview
Herr Hamm, Herr Riescher, was sind die wichtigsten Themen, über die Sie derzeit mit Ihren Kunden diskutieren?
Anton Hamm:
Wir können zurzeit bei den Zeitungsverlagen einen starken Kreativitätsschub beobachten. Die Verleger suchen nach verschiedenen Möglichkeiten, um in ihren Kerngeschäften gewinnbringender arbeiten zu können, sie weiten jedoch auch ihr bestehendes Produktportfolio mit neuen Print- oder elektronischen Medien aus. Schlagworte wie neue Formate, Konvergenz, Podcasts, Web-to-Print und neue Zielgruppen aller Art spielen ebenfalls eine Rolle in unseren Gesprächen. Mit unserer starken weltweiten Marktpräsenz können wir unseren Kunden helfen, neue Chancen zu erkennen, die deren Kollegen auf der ganzen Welt realisieren, und sie zum Nachdenken über ihre eigenen Möglichkeiten anregen.
Georg Riescher:
Wenn man den Weltmarkt betrachtet, ist man manchmal erstaunt, woher die kreativen Ideen kommen. Sicherlich gehören die Länder des Nahen Ostens zu den innovativsten Märkten. Von dort stammt etwa der Trend zum Zeitungsdruck mit kombiniertem Heatset-/Coldsetverfahren. Diese Zeitungsverlage drucken eine hervorragende Qualität und sind deshalb für Anzeigenkunden des Topmarkensektors besonders attraktiv. Unsere Kreativität wird vom frischen Denken unserer Kunden angespornt, und wir erwidern dies mit neuen Maschinenlayouts, die unseren Kunden die Flexibilität bieten, die sie für ihr zukünftiges, sich rasch veränderndes Umfeld brauchen.
Wie schätzen Sie generell die Lage der Druckindustrie weltweit ein?
Georg Riescher:
Zurzeit stehen wir in einer extrem dynamischen Marktsituation. Dem weltweiten Wachstum der Druckindustrie scheinen praktisch keine Grenzen gesetzt, obwohl es natürlich schwächere und stärkere Märkte gibt. Die Auswirkungen der Globalisierung sind für uns alle sehr deutlich zu spüren. Dies wird oft als Problem angesehen, man sollte jedoch stets bedenken, dass die Globalisierung keine Einbahnstraße ist, sondern wie jede Herausforderung auch eine Menge Chancen bietet, besonders für einen Global Player wie MAN Roland. So kann man beispielsweise bei den jährlichen Werbeausgaben einen starken Zuwachs von 15 bis 30 Prozent beobachten, besonders bei Zeitungen in Osteuropa, Russland, China, dem Nahen Osten und Indien. Die Wachstumsraten sind in Regionen wie Afrika und Südamerika auf Grund der instabilen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen wesentlich geringer.
Anton Hamm:
In Europa und Nordamerika steigen die Investitionen in Printwerbung nach ein paar schwachen Jahren in der Vergangenheit erneut an. Die Verteilung der Werbeausgaben auf die verschiedenen Medienkanäle verlagert sich langsam auf elektronische Medien absolut gesehen jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau. In medienübergreifenden Kampagnen spielt Printwerbung weiterhin die größte Rolle, wir erkennen jedoch einen Trend zur Individualisierung und Segmentierung in kleinste Zielgruppen.
Was sind zurzeit die wichtigsten Erwartungen ihrer Kunden?
Georg Riescher:
Zu allererst natürlich Kompetenz, Zuverlässigkeit und Offenheit. Aber unsere Kunden können sich auch darauf verlassen, dass wir ihnen zeigen, in welchen Bereichen sich Mehrwert erzeugen lässt. So entwickeln wir beispielsweise gemeinsam mit ihnen neue Produktideen und Geschäftsmodelle und zeigen ihnen, wie sie ihr Drucksystem besser nutzen können.
Anton Hamm:
Vom technischen Standpunkt aus gesehen, suchen die Kunden nach Möglichkeiten, ihren gesamten Betrieb zu automatisieren und zu integrieren. Die Zeiten sind vorbei, in denen wir eine Druckmaschine nur zu installieren brauchten und die Aufgabe, die Prozessschritte zu koordinieren, unseren Kunden überlassen konnten. Mit unserem printnet-Netzwerk fühlen wir uns hier in der Pole-Position man sollte nicht vergessen, dass wir mit unserem PECOM-System im Bereich Maschinensteuerung schon seit zehn Jahren führend sind.
Wo stehen wir momentan im Bereich Automatisierung? Man möchte meinen, es könne gar keinen höheren Automatisierungs- und Standardisierungsgrad mehr geben, als wir ihn heute bereits haben.
Anton Hamm:
Es stimmt, dass Integration und Produktionstechnologie ein sehr hohes Niveau erreicht haben, jedoch besteht immer noch Bedarf, die Automatisierung weiterzuentwickeln, um die Wünsche unserer Kunden erfüllen zu können. Schließlich ist es auch heute noch die Aufgabe des Druckers, die zahlreichen Parameter wie Druckfarbe und Wasser, Farbe und Schnittregister, Falzen und Bahnspannung mit all ihren Wechselwirkungen zu koordinieren. Aber die industrielle Zeitungsproduktion mit ihrer konstant hohen Druckqualität bei hoher Wirtschaftlichkeit erfordert noch viel mehr. Praktische Automatisierungslösungen sind das, was der Kunde will, und das, wovon Verlage wirklich profitieren können. Vielleicht wird folgende Vision eines Kunden aus der Zeitungsbranche eines Tages Wirklichkeit: Der Leiter der Druckproduktion wird die gesamte Zeitungsdruckmaschine vom Computer auf dem Schreibtisch seines Büros aus bedienen. Bediener an der Maschine oder an den Rollenträgern sollten nicht mehr erforderlich sein. Praktische Automatisierungsmodule von MAN Roland sind bereits wichtige Meilensteine auf diesem Weg.
Hierzu ein paar Beispiele: Technologien zur Voreinfärbung wie QuickStart reduzieren die Anlaufmakulatur erheblich. Schnitt- und Farbregisterregelungen werden in Zukunft druckbildorientiert sein und für eine registergenaue Produktion ohne Marken sorgen. Neue, automatische Bahnspannungsregelungen garantieren konstante Qualität.
All diese Systeme sind in ein Gesamtkonzept auf der Basis von printnet eingebunden. Dieses Konzept integriert die verschiedenen Prozessschritte von Redaktions- und Anzeigenabteilungen über Vorstufe und Druck bis hin zum Versandraum. Der nächste Schritt, wie für die Verlagsgruppe Passau geplant, sieht sogar eine Gesamtintegration mehrerer Druckstandorte in verschiedenen Ländern vor.
Wie steht es um den DICO-Bebilderungsprozess? Mit der DICOweb sind Sie ohne Zweifel der Technologieführer im Bereich Bebilderung in der Maschine werden wir bei Zeitungsdruckmaschinen schon bald die löschbare Druckform erleben?
Georg Riescher:
Ja, wir arbeiten daran. Natürlich sind wir die Einzigen mit einem löschbaren Offsetprozess in der Maschine, jedoch muss man, wie bei anderen Technologien auch, nicht nur auf die technische, sondern auch auf die ökonomische Lebensfähigkeit achten. Wir diskutieren beide Aspekte mit unseren Kunden, um ihnen die Lösung anzubieten, die sie am besten nutzen können. Einfach einen Bebilderungskopf in die Maschine zu schrauben, ist sicherlich keine Lösung!
Was wir uns anschauen sind die Anwendungen, die unsere Kunden in Zukunft realisieren möchten. Bebilderung in der Maschine kann die beste Lösung für kleine Auflagen sein, aber soll das Druckbild in der gesamten Maschine, in einer Einheit oder nur für eine Platte verändert werden, wie beispielsweise bei der Aktualisierung von Börsenkursen oder Sportergebnissen? Diese Überlegungen spielen bei der Entscheidung, wie man den Prozess am besten in die Maschine integriert, eine große Rolle.
Wie steht es mit neuen Konzepten bei Ihrem Maschinendesign? Können wir bereits wieder etwas Neues von MAN Roland erwarten?
Anton Hamm:
Wir haben in den letzten Jahren einige neue Produkte auf den Markt gebracht: die COLORMAN im XXL-Format, die CROMOMAN 3-1 und die UNISET 3-2. Die jüngste Produktneuheit war die COLORMAN 4-1, die im Oktober 2005 auf der IfraExpo in Leipzig vorgestellt wurde. Zudem wird es neue Maschinenkonfigurationen in Form von Kombinationen aus diesen Maschinen geben.
Georg Riescher:
Wir sehen da viele großartige Beispiele wie zum Beispiel Superpanorama-Anzeigen.
Was bieten Sie Ihren Kunden außer Druck- und Automatisierungssystemen noch an?
Anton Hamm:
Eine Vielfalt an Möglichkeiten: Neue Produkte werden mit neuen Druckmaschinen produziert und der Markt, die Industrie ganz allgemein und auch unser Unternehmen verfügen über eine Menge kreativer Ideen. Wir gehen davon aus, dass 2006 viele davon verwirklicht werden.
Herr Hamm, Herr Riescher, vielen Dank für dieses Interview.