Verpackung
Neue Verpackungen für wählerische Verbraucher
Samstag 27. November 2010 - Während das Bevölkerungsalter in vielen Ländern Afrikas und Asiens sinkt, werden die Menschen in den westlichen Industrienationen immer älter. Zudem steigt überall in der Welt das Lebenstempo. Daher gewinnt das effiziente Handling der Produktverpackung für Konsumenten stark an Bedeutung. Eine Herausforderung für die Industrie.
Viele Menschen lieben Würstchen. Und sie lieben sie auch mal eben auf die Hand. Dabei sind Frankfurter oder Wiener keine typischen Snacks für unterwegs: Meist schwimmen sie in Wurstwasser oder werden in hohen Stückzahlen in große Verpackungen eingeschweißt.
Der deutsche Wurst- und Schinkenspezialist Rügenwalder Mühle hat für Snacker jetzt die Lösung: Seit diesem Oktober bietet er „Mühlen Würstchen“ in einem transparenten, wiederverschließbaren Kunststoffbecher an. So lassen sich, so das Versprechen, die sechs kleinen Knacker einfach entnehmen und bleiben garantiert bis zum letzten Bissen frisch. „Die Verzehrgewohnheiten der Menschen haben sich inzwischen grundlegend geändert“, sagt Rügenwalder-Marketingchef Godo Röben. „An die Stelle von drei Mahlzeiten pro Tag sind heute mehrere kleine und häufig schnelle Zwischenmahlzeiten gerückt.“
Convenience-Produkte wie die Mühlen Würstchen liegen voll im Trend. Verpackungen haben nicht mehr nur Schutz-, Transport- und Aufbewahrungsfunktion, sondern oft auch einen funktionellen Zusatznutzen. „Das unkomplizierte Handling der Produktverpackung wird Verbrauchern immer wichtiger“, erklärt Hilka Bergmann, Leiterin Forschungsbereich Verpackung des Kölner Einzelhandelsberaters EHI Retail Institute. So spielten innovative Convenience-Aspekte eines leichten Öffnens, Wiederverschließens oder Portionierhilfen bei der Verpackungsgestaltung eine zunehmende Rolle. Ein anderer Ansatz sind Lebensmittel, die direkt in der Verpackung in die Mikrowelle gegeben werden können und so das Kochen erleichtern. Auch die Verlängerung der Mindesthaltbarkeit von Produkten durch neuartige Beschichtungen der Verpackung mit Kunststoffverbunden fällt in diese Kategorie.
Getrieben wird die Nachfrage nach Produkten mit Mehrwert durch den demografischen Wandel. In den westlichen Industrienationen vergrößert sich die Gruppe von Menschen über 60 Jahre kontinuierlich. Sie haben größere Schwierigkeiten, Grafiken und Texte auf Verpackungen zu lesen und diese ohne Hilfsmittel zu öffnen. Besonders schwer tun sich Senioren laut einer Studie der deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-organisationen (BAGSO) mit Produkten, die in Kunststoff eingeschweißt sind – die Aufreißlaschen sind oft schwer zu finden, und es ist viel Kraft nötig, um die Verpackungen zu öffnen. Deshalb bevorzugen die „Best Ager“ gut erkennbare und leicht handelbare Öffnungsmöglichkeiten.
Gleichzeitig verändert sich der Lebensstil der Menschen. Rund um den Globus gilt: Für das Essen nimmt man sich heute weniger Zeit, dafür stehen die kleine Zwischenmahlzeit oder der schnelle Espresso aus dem Pad-Automat hoch im Kurs. Als ein absoluter Renner gilt zum Beispiel das so genannte „Chilled Food“, also Produkte wie Smoothies, Antipasti oder Feinkostsalate, die frisch und meist küchenfertig zubereitet sind. Der Kühlkost-Trend hat seine Wurzeln in den USA und ist vor einigen Jahren nach Europa geschwappt. Damit ist für die Industrie eine weitere Herausforderung verbunden: Die Konsumenten von Chilled Food sind zugleich oft gesundheitsbewusst und legen Wert auf Natürlichkeit, Reinheit, Frische und Tradition. Bergmann weiß: Moderne Konsumenten wollten Produkte, die aussehen wie von Hand gemacht und frisch an der Theke verpackt.
Die Bedürfnisse der Älteren, Berufstätigen und Gesundheitsbewussten kann die Industrie nicht ignorieren: Wer Convenience-Aspekte unberücksichtigt lässt und wessen Produkt sich nicht durch gutes Aussehen und hohe Funktionalität von anderen Produkten abhebt, kann im harten internationalen Wettbewerb kaum noch konkurrieren. Allein in Deutschland besteht der Convenience-Markt nach Zahlen des Münchner Marktforschers USP market intelligence aus 560.000 Verkaufspunkten und hat mittlerweile ein Umsatzpotenzial von rund 30 Milliarden Euro – Tendenz steigend. „Convenience-Aspekte sind mittlerweile für zwei Drittel der Verbraucher wichtig bis sehr wichtig“, sagt USP-Analystin Katrin Waller. Besonders auffällig: Vor allem Senioren reagieren rigoros, wenn sie mit einer Verpackung nicht zurechtkommen: 34 Prozent kaufen laut der deutschen BAGSO-Studie künftig ein anderes Produkt.
Im Kampf um Marktanteile setzen Produkthersteller daher verstärkt auf Verpackungen, die dem Verbraucher Wohlbehagen vermitteln. Angewiesen sind sie dabei auf die Kreativität und das Know-how der Verpackungshersteller und deren Zulieferern. Rügenwalder zum Beispiel nutzt für seine Mühlen Würstchen spezielle Kunststoffbecher der deutschen Firma Weidenhammer Packaging Group. Auch in anderen Lebensmittelbereichen sagt der Spezialist für Kombidosen und Kunststoffverpackungen klassischen Konservenverpackungen den Kampf an. „Statt Weißblech oder Glas kommt jetzt Kunststoff ins Supermarktregal“, erklärt Firmenchef Ralf Weidenhammer. So verpacke die patentierte Kunststofflösung PermaSafe sterilisierte und pasteurisierte Lebensmittel robust, aber wesentlich handlicher und leichter als bisher gängige Ringpull-Dosen. Für die einfache Handhabung sorgen eine leicht abziehbare Peel-Folie und ein Deckel für den Wiederverschluss. Die Produkthersteller schwören auf die Innovation: Als erster Kunde setzte die deutsche Firma Müllers Hausmacher Wurst auf PermaSafe – weitere Produkte befinden sich bereits in Vorbereitung. Freilich wird die klassische Dose aber trotz Weidenhammers Plastikoffensive auch künftig eine wichtige Rolle auf dem Markt spielen: Viele Produkthersteller setzen wegen ihrer guten Versiegelungseigenschaften und der Robustheit weiter auf diese seit Jahrzehnten bewährte Verpackungslösung.
Ein anderes großes Thema für die Weidenhammer Packaging Group ist die Weiterentwicklung der konventionellen Kombidose. Zur interpack 2011, der weltweit bedeutendsten Veranstaltung der Verpackungsbranche, wird Weidenhammer vom 12.-18. Mai 2011 eine Kombidose mit Peel-off Top-Verschluss präsentieren. Sie garantiert eine besonders hohe Dichtigkeit und eignet sich für sauerstoffempfindliche Lebensmittel wie beispielsweise Milchpulver.
Auch bei der deutschen Firma Wipak Walsrode, einer Tochter der finnischen Wipak-Gruppe, stehen Innovationen bei Folienherstellung und -verarbeitung im Fokus. Als ihr Markenzeichen gelten neben hochwertigen Barrierefolien besonders natürlich anmutende Verpackungen im so genannten Knitterlook. „Zurück zur Natur lautet das Motto vieler Hersteller und Handelsketten, die den hohen Qualitätsanspruch ihrer Produkte mit Hilfe von Papierverbunden unterstreichen wollen“, sagt Sprecherin Astrid Reinke. Dafür hat Wipak einen speziellen Produktionsprozess entwickelt: Schon während der Folienfertigung wird Papier in den Folienverbund eingearbeitet. Dabei werden hauchdünne Folienschichten auf der Packungsinnenseite gegen die Papierschicht kaschiert. Der Vorteil: Die Oberseite der Packung fühlt sich an wie Papier und die für den Schutz und Frische benötigten Funktionen wie Sauerstoffbarriere und Siegelung übernehmen wie gewohnt die Kunststofflagen. Die unscheinbare Schnittkäsestange „Stangerl“ der deutschen Firma Bergader etwa ist dank des neuen Frischelooks zu einem wahren Verkaufsschlager geworden.
„Einfachheit und Nachhaltigkeit“ heißt dagegen das Motto, mit dem sich der deutsche Display- und Verpackungshersteller STI Group auf der interpack präsentieren will. „Convenience und ein geringer ökologischer Fußabdruck spielen bei Verpackungslösungen mittlerweile eine große Rolle“, sagt Sprecherin Claudia Rivinius. Der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit: STI entwickelt seine Verpackungen für die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie vorwiegend aus Karton und Wellpappe, verzichtet also weitgehend auf Kunststoffe. Der STI-Klassiker ist weithin bekannt: die Verpackung der Waschmittelmarke Persil mit dem speziellen Aufreißmechanismus. Zu den neuesten Produkten der Spezialisten zählt eine Kartonfaltschachtel für Energiesparlampen der Firma Osram. Sie besteht aus viel Altpapier, ist – in Anpassung an die Lampe – organisch geformt, hat ein großes Fenster und eine offene Unterseite. Damit ist die Verpackung nicht nur umweltfreundlich, sondern vereinfacht Kunden die Kaufentscheidung: Sie können die Lampe an einem vor Ort aufgestellten Gerät testen, ohne die Verpackung öffnen zu müssen.
Kritiker behaupten nun, dass die Entwicklung und Produktion derartiger Verpackungen aufwendig und teuer ist und letztlich den Produktpreis treibt. Die Industrie hält jedoch dagegen: Durch Materialersparnisse und stetige produktionstechnische Verbesserung, so ihr Argument, fielen vielmehr die Kosten. Das klingt triftig, denn die Verpackungsmaschinen-Hersteller treiben Innovationen mit hohem Einsatz voran. Der Schweizer Anlagenbauer Ilapak, der inzwischen zwölf Branchen aus dem Food- und Non-Food-Bereich beliefert, führt derzeit schlüsselfertige Turnkey-Verpackungslinien in den Markt ein. Der Vorteil: Die Maschinen sind optimal aufeinander abgestimmt, was die Effizienz steigert. „Mit Komplettlösungen aus einer Hand kann die Industrie ihre Kosten pro Verpackungseinheit deutlich senken“, verspricht Ilapak-Marketingleiter Christian Romualdi.
Auch der deutsche Verpackungsdesigner und Maschinenbauer Multivac steigert die Effizienz seiner Anlagen. Zur interpack will die Firma eine Tiefziehverpackungsmaschine vorstellen, die mindestens 20 Prozent weniger Energie verbraucht als herkömmliche Maschinen. Tiefziehverpackungsmaschinen gelten als Allrounder: Sie können Lebensmittel wie Güter automatisch verpacken. „Wir sparen Energie, indem wir alle pneumatisch betriebenen Baugruppen durch elektrische Antriebstechnologie mit hohem Wirkungsgrad ersetzen“, erklärt Multivac-Vertriebsleiter Helmut Sparakowski das neue „e-concept“ seines Unternehmens. Was Multivacs Innovation mit Convenience zu tun hat? Neben Handelbarkeit und Haltbarkeit rangiert Nachhaltigkeit inzwischen ganz oben auf der Wohlfühlliste der Verbraucher. Konsumenten werden daher künftig häufiger fragen, ob ihr Produkt ressourcenschonend hergestellt wurde.
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