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Nachhaltige Verpackungen: Grün und unkaputtbar

Effiziente Produktion: Moderne Verpackungslinien verbrauchen weniger Energie und senken Kosten.

Samstag 18. Dezember 2010 - Nachhaltigkeit wird Verbrauchern immer wichtiger. Sie fordern ethisch und ökologisch einwandfreie Produkte, die ressourcenschonend verpackt werden, aber gut geschützt bei ihnen ankommen. Das stellt Verpackungshersteller vor eine große Aufgabe.

Die Industrie will Material sparen, doch muss die Stabilität der Verpackung auf jeden Fall gewährleistet bleiben. Der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern Unilever, bekannt durch international gängige Marken wie den Reiniger Domestos oder die Seife Dove, verfolgt eine ehrgeizige Strategie: Er will seinen Umsatz von derzeit rund 40 Milliarden Euro bis 2020 weltweit verdoppeln und zugleich durch Effizienzgewinne bei Verpackungen und Produktion seinen CO2-Ausstoß halbieren. Zudem übernimmt Unilever mehr soziale Verantwortung: Unter anderem sollen bis 2020 eine halbe Million Kleinbauern und Kleinhändler in den Entwicklungsländern in seine Lieferkette eingebunden werden. „Wir möchten ein nachhaltiges Unternehmen in jeder Bedeutung des Wortes sein“, sagt Unilever-Chef Paul Polman.
Doch geht es dem Manager nicht vorrangig um die Bewahrung der Schöpfung, sondern den wirtschaftlichen Erfolg. Für viele Verbraucher ist nachhaltiges Handeln zu einem wichtigen Kaufkriterium geworden. Wurde früher kaum nach Herkunft, Art der Produktion und Verpackung gefragt, stehen ökologisch und moralisch „saubere“ Waren heute hoch im Kurs. Deshalb schätzt der US-Marktforscher Pike Research, dass sich der weltweite Umsatz mit nachhaltigen Verpackungen im Zeitraum 2009 bis 2014 von 88 auf 170 Milliarden US-Dollar fast verdoppeln wird. „Das Umweltbewusstsein der Verbraucher hat durch die aktuelle Klimadiskussion deutlich zugenommen“, erklärt Pike Research-Chef Clint Wheelock.

Neben Klimaschutz spielen soziale Aspekte eine zunehmende Rolle. Moderne Konsumenten wollen gesünder leben und legen daher Wert auf natürliche Nahrungsmittel, die absolut sicher verpackt sind und unverfälscht schmecken. Auch wird dieser Klientel immer wichtiger, dass sich die Produkthersteller gesellschaftlich engagieren und fair gehandelte Waren anbieten. „Wir sehen einen Trend zum ethischen Konsum“, erklärt der Analyst Jens Lönneker vom Kölner Marktforscher Rheingold. Seine Beobachtung: Fairtrade ist bei den sogenannten Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability), also der Konsumentengruppe, die ihre Lebensweise auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichtet, längst etabliert. Nun geht der Zug weiter in die Gemeinde 18-plus, die sich statt konventionellen Softdrinks oder Pils lieber Fairtrade-Bier oder -Limo in chicen Flaschen bestellen.

Für die Industrie ist der Nachhaltigkeitstrend Fluch und Segen zugleich. Einerseits muss sie neue Produkte und Kampagnen entwickeln, was hohe Kosten verursacht. Andererseits verspricht die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wirtschaftliches Wachstum. Darum verfolgen besonders die finanzstarken Großkonzerne wie Coca Cola, Kraft Foods oder Unilever umfassende Nachhaltigkeitsstrategien. Sie unterstützen Umwelt-, Natur- und Hilfsorganisationen oder leisten selbst Entwicklungshilfe. Und sie investieren in effizientere Produktionsstätten und Verpackungen. „Wir werden unseren Materialverbrauch bis 2020 um ein Drittel senken“, verspricht Unilever-Chef Polman.

Die Verpackungshersteller helfen der Industrie, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Sie entwerfen neue Verpackungen und entwickeln die Produktionsprozesse dafür. Das ist keine leichte Aufgabe: Zwar sollen durch geringere Materialstärken und kleinere Anteile ressourcenintensiver Werkstoffe Rohstoffe gespart werden, doch darf darunter nicht die Dichtigkeit und Stabilität der Verpackung leiden. „An erster Stelle steht der Schutz des Füllguts“, sagt Stefan Glimm, Geschäftsführer des deutschen Gesamtverbands der Aluminiumindustrie (GDA). Sicherheit ist nicht ohne Grund oberstes Gebot: Laut der Europäischen Organisation für Verpackung und Umwelt (EUROPEN) ist der Wert, der in Nahrungsmitteln eingetragenen und gebundenen Ressourcen wesentlich höher als der Wert der Verpackung, die das Produkt schützt. Daher verursachen Produktverluste durch unzureichende Verpackung mehr CO2-Emissionen als durch Vermeiden überflüssiger Verpackung eingespart wird. In Entwicklungsländern sind Nahrungsmittelverluste ein großes Problem: Hier gehen nach Angaben von EUROPEN 40 Prozent der Waren in der Lieferkette verloren. Ein besserer Schutz der Produkte in diesen Ländern könnte die Umwelt somit erheblich entlasten. Auch auf der interpack vom 12.-18. Mai 2011, der weltweit bedeutendsten Veranstaltung der Verpackungsbranche, wird Lebensmittelschutz eines der bestimmenden Themen sein. Die zusammen mit der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gestaltete Sonderschau SAVE FOOD zeigt, wie die einzelnen Elemente der Wertschöpfungskette in Sachen Verpackung, Logistik und Transport einen Beitrag gegen die weltweite Verschwendung von Nahrungsmitteln leisten können.

Dass Sicherheit und Ökologie kein Widerspruch sein müssen, beweisen die Verpackungshersteller mit vielen Innovationen. Die US-Firma Sonoco zum Beispiel wird zur interpack 2011 effiziente Verpackungslösungen seiner neuen „True Blue Line“ präsentieren. Diese benötigen nach Angaben von Firmensprecher Jeff Schuetz bei gleichbleibend hoher Stabilität weniger Material oder können leichter recycelt werden als bisherige Verpackungen. Die Industrie bedient sich bereits fleißig aus diesem Sortiment. Der deutsche Lebensmittelhersteller Kraft Foods nutzt für seine Kaffeemarken Maxwell House, Nabob und Yuban statt Metalldosen neuerdings von Sonoco designte Behälter aus recyclebarem Karton. Unilever hat die Plastikflaschen für seine Haarpflegemittel der Marke Suave mit Sonocos Hilfe umgestaltet: Die neuen Behältnisse benötigen 16 Prozent weniger Material, sind aber dank ihrer neuerdings gewölbten Form stabiler als ihre Vorgänger.

Die deutsche Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) sieht sich aufgrund solcher Innovationen bestätigt: Kunststoff ist für nachhaltige Verpackungen bestens geeignet. „Er ist sehr vielseitig“, erklärt Isabell Schmidt, IK-Referentin für Umwelt und nachhaltige Entwicklung. Kunststoff biete Schutz, sei transparent und dank des geringen Gewichts der Verpackungen ließen sich beim Transport Kosten und CO2-Emissionen sparen. Und die Branche will ihre Nachhaltigkeitsleistung noch steigern. „Ziel sind unter anderem noch leichtere Verpackungen und der weitere Ausbau des Recyclings“, sagt Schmidt.

Neben dem weltweit am häufigsten für Verpackungen verwendeten Material Kunststoff, bieten auch die übrigen gängigen Packmittel Papier/Pappe, Glas und Metall/Aluminium für eine nachhaltige Verpackungsstrategie an, denn jedes einzelne hat seine individuellen Vorteile.

Papier, Karton und Pappe zum Beispiel haben nach einer Untersuchung des niederländischen Forschungsinstituts CE Delft einen geringeren CO2-Fußabdruck als die meisten anderen Verpackungen, was sich unter anderem mit einer effizienteren Produktion und geringeren Emissionen bei Transport erklärt. Das CO2-Äquivalent liegt bei Papier & Co bei 676 Kilogramm CO2 pro Tonne Material, das anderer konventioneller Verpackungsmaterialien bei mindestens 1.000 kg CO2.

Glas wiederum kann zwar nicht mit geringem Gewicht punkten, ist aber mehrwegfähig, recycelbar und absolut sicher. „Glas ist inert, lässt also praktisch keine Wechselwirkungen zwischen Inhalt und Verpackung zu“, erklärt Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des deutschen Bundesverbands Glasindustrie. Zudem werde es fast ausschließlich aus natürlichen Rohstoffen hergestellt, die ausreichend in der Natur vorkommen. Das kommt bei Verbrauchern, die auf reinen Geschmack Wert legen und aus einer „gesunden“ Verpackung konsumieren wollen, gut an. Nach einer Umfrage des europäischen Behälterglasverbands bevorzugen 75 Prozent der befragten Europäer bei der Verpackung Glas, da es zu einem gesunden Lebensstil beiträgt.

Auch Weißblech und Aluminium schützen Nahrungsmittel und lassen sich gut recyceln. Beim Aluminium liegt die Recyclingrate bei 82,3 Prozent, bei Alu-Getränkedosen sogar bei 96 Prozent. „Diese Rate soll durch Schließen von Kreisläufen weiter erhöht werden“, sagt GDA-Geschäftsführer Glimm. Zudem will die Branche Material sparen. „Ziel ist es, mit weniger Aluminium mehr Produkte zu schützen“, so Glimm.

Allerdings müssen die Hersteller etablierter Verpackungsmaterialien mit wachsender Konkurrenz durch Biokunststoffe rechnen. Diese sind zwar noch nicht so vielseitig einsetzbar wie konventionelle Kunststoffe auf Erdölbasis, holen aber mit immer weiter verbesserten Eigenschaften auf: Die britische Firma Innovia Films bietet unter dem Namen Natureflex neuerdings eine abbaubare Kunststofffolie für Lebensmittel an, die zu 100 Prozent kompostierbar ist. Diese mehrschichtige Biofolie habe, so Marketingchef Andy Sweetman, hervorragende Barrierewirkung gegenüber Feuchtigkeit und Gasen, die Lebensmittel wie Kekse dauerhaft knusprig halte. Der deutsche Biokunststoffhersteller FKuR Kunststoff setzt ebenfalls auf überlegene Barrierewirkung: Die Firma produziert unter anderem mehrschichtige Biofolien, die auch in Öko-Babywindeln für Auslaufsicherheit sorgen. Besonders für tiefe Temperaturen geeignete Bioverpackungen, eine Neuentwicklung von FKuR, werden für die Verpackung von Tiefkühlkost eingesetzt. Die rasante Entwicklung des Themas Biokunststoffe spiegelt sich auch zur interpack wider. Waren es 2005 im Rahmen einer Sonderschau 250 Quadratmeter Nettofläche, die von Biokunststoffherstellern belegt worden sind, werden es 2011 etwa 2.000 Quadratmeter der regulären Ausstellungsfläche sein.

Auch die Hersteller von Verpackungsmaschinen können dazu beitragen, dass Kosten von Verpackungen weiter rasch gesenkt werden. Der Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht Einsparpotenziale nicht nur bei den Verpackungsmaterialien: Ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen Produktion besteht auch in der Reduzierung des Energie- und Betriebsmittelverbrauchs der Verpackungsmaschinen durch moderne Technik. So könnte zum Beispiel dezentrale Servotechnik zum Einsatz kommen, die dynamischer und effizienter arbeitet als große Antriebe. Zwar sind die Anschaffungskosten für diese Maschinen hoch, doch können die Ausgaben im Laufe des Lebenszyklus einer modernen Anlage etwa durch den geringeren Energieverbrauch laut VDMA locker wieder eingespielt werden. Produkthersteller, die auf Nachhaltigkeit setzen, profitieren also nicht erst an der Verkaufsstelle, sondern schon bei der Produktion.

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