Aus den Unternehmen
Entscheidungsjahr für die deutsche Druckbranche
Freitag 21. Januar 2011 - Der Bundesverband Druck und Medien befürchtet, daß 2011 für die Druckbranche ein schwieriges Jahr wird. Anläßlich der Jahresauftaktpressekonferenz in Wiesbaden warf der bvdm einen Blick auf das vergangene Geschäftsjahr und stellte eine verhaltene Prognose für 2011 in Aussicht.
Das Jahr 2011 wird für die deutsche Druckindustrie ein Entscheidungsjahr, prophzeit Dr. Paul Albert Deimel, neuer Hauptgeschäftsführer des bvdm. Entscheidend sei, daß die Branche neue Themen vorantreibt. Sowohl national als auch international steht die Druckindustrie vor tief greifenden Änderungen und großen Herausforderungen. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen nun Weichen gestellt werden. Nach wie vor kommt dem Druck eine große Bedeutung zu, doch durch neue Medien wie das iPad reduzieren sich die gedruckten Werke. Diesen Strukturwandel in der Medienbranche zählt der bvdm ebenso zu den wichtigen Themen der Druckindustrie in 2011 wie Überkapazitäten und die Notwendigkeit die Branche in Teilen zu restrukturieren. Aus Sicht des Verbandes ist es notwendig die unternehmerischen Freiheit gegenüber der europäischen und nationalen Politik zu verteidigen, die Einführung neuer Berufsbilder durchzusetzen und in der bevorstehenden Manteltarif- und Lohntarifrunde deutliche Zeichen der Veränderung umzusetzen. Deimel ist sich sicher, daß die Branche in große Schwierigkeiten geraten wird, wenn sie nicht auf diese Herausforderungen des strukturellen Wandels reagiert.
Für das Wirtschaftsjahr 2011 erwartet der bvdm stagnierende Umsätze für die eigenen Branche. Als Gründe dafür nennt Dr. Nora Lauterbach, Volkswirtin des bvdm, neben den steigenden Rohstoffpreisen und Energiekosten auch die Entwicklung in der Werbebranche. „Knapp über 60 Prozent des erfaßten Produktionsvolumens der Druckindustrie sind werbeabhängige Druckprodukte.“, begründet Dr. N. Lauterbach ihre Markteinschätzung. „Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft rechnet für 2011 mit einem Zuwachs der Nettowerbeeinnahmen um 2,5 %. Davon sollte die deutsche Druckindustrie zwar profitieren können, aber das Jahr 2010 hat gezeigt, daß die Print-Medien vom Werbewachstum weniger stark als in der Vergangenheit profitieren konnten. Für 2011 kann deshalb nicht mit Umsatzwachstum für die Druckindustrie gerechnet werden.“
Im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Druckindustrie nach dem Krisenjahr 2009 noch nicht auf einen stabilen Wachstumskurs zurückgekehrt. Zwar stieg die Exportquote der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 auf 14,3 Prozent an. Doch hinter der Gesamtindustrie, die eine Exportquote von 46 Prozent aufweisen kann, hinkt der Export der Druckbranche weit hinterher.
Bis November sanken in 2010 die Umsätze der Unternehmen um 3,2 Prozent und die Produktion stagnierte auf Vorjahresniveau. In andere Industriebranchen wurde der Aufschwung deutlicher. So konnte beispielsweise das Verarbeitende Gewerbe bereits zweistellige Wachstumsraten in Produktion und Umsatz verzeichnen. Für das Gesamtjahr 2010 rechnet der bvdm mit einem Umsatzminus von insgesamt 2,5 Prozent bei einem Gesamtumsatz von ca. 21 Mrd. Euro.
Die Anzahl der Betriebe mit mehr als 50 Angestellten verringerte sich um 6,4 Prozent, ebenfalls ging die Zahl der Beschäftigen um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Der Rückgang der Betriebe ist auf Insolvenzverfahren und Betriebsaufgaben zurückzuführen. Aufgrund des Personalabbaus mußten mehrere Betriebe einer kleineren Größenklasse zugeordnet werden.
In diesem Zusammenhang nennt Dr. Paul Albert Deimel den aktuellen Insolvenzfall Schlott, um die Anpassung des Manteltarifvertrags zu fordern. Die Schlott-Insolvenz sei bitter, weil die Arbeitnehmer unter anderem mit Kurzarbeit große Opfer gebracht haben und letztlich die Arbeitsplätze doch nicht gerettet werden konnten. Allerdings sei er der Meinung, daß die Insolvenz nicht Folge einer Fehlplanung gewesen sei. Jede unternehmerische Entscheidung berge schließlich auch eine gewisses Risiko. Manche Dinge, wie die Insolvenz von Karstatt-Quelle, seien nicht vorhersehbar. Allerdings sieht der bvdm deutsche Unternehmen im europäischen Wettbewerb benachteiligt. Der deutsche Tiefdruck hinkt hinter seinen europäischen Konkurrenten weit hinterher. Dies läge vor allem daran, daß deutsche Druckereien neben den kürzesten Arbeitszeiten und den höchsten Löhnen auch komplexe Regel bei der Maschinenbesetzung befolgen müssen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse der Manteltarifvertrag reformiert werden. Er enge die Betriebe so stark ein, daß ihre Zukunftsfähigkeit und damit auch die Arbeitsplätze gefährdet seien. „Die Frage der Zukunftsfähigkeit des Manteltarifvertrages ist eine Weichenstellung, die über die Zukunft des Flächentarifvertrags und der Branche entscheidet“, bringt Dr. Deimel die Sache auf den Punkt. Aus diesem Grund habe der bvdm den Manteltarif fristgerecht zum 31. März 2011 gekündigt. Für die anstehenden Tarifgespräche verfolgt der bvdm einen moderaten Verhandlungsansatz. So sollen die Wochenarbeitsstunden an die Realität in der Arbeitswelt angepaßt und die Spanne von 30 bis 35 Wochenarbeitsstunden auf 30 bis 40 erhöht werden. Der bvdm verlange keine generelle Änderung des Tarifsvertrags, sondern lediglich eine Öffnungsklausel. Dabei sollen Unternehmen die Möglichkeit erhalten, praxisgerechte und individuelle Lösungen zu vereinbaren. Die Druckindustrie müsse ihre Kosten senken und sich den Märkten der Zeit und ihren Kunden anpassen, um den strukturellen Wandel zu bewältigen.
Auch für die Regelungen zur personellen Besetzung von Offset- und Tiefdruckmaschinen verlangt der bvdm eine Reform. Die aktuellen Regelungen seien von der Technik und den Arbeitsabläufen in den Betrieben überholt, sie seien weder praktikabel noch sinnvoll. Als einzige deutsche Branche verfüge die Druckindustrie über solche Reglementierungen. Auch in anderen europäischen Ländern gäbe es branchenweit keine vergleichbare Regelungen. Zudem müsse die derzeit streng vorgeschriebende Fachkräftebesetzung an Druckmaschinen wegen veränderter technischer Abläufe gelockert werden.
Als weiteres Manko führt der bvdm die hohen Hilfsarbeiterlöhne auf, die mit zwölf Euro je Stunde im Branchenvergleich führend sind. Deshalb fordert er eine sozial vertretbare Kostensenkung als Gegenanreiz zur Ausgliederung, der Fremdvergabe oder Zeitarbeit. „Es geht nicht um einseitige Unternehmensinteressen, sondern um die Verantwortung für den Erhalt von Arbeitsplätzen und die betriebswirtschaftliche Grundlagen der Unternehmen.“, erklärt Dr. P. A. Deimel.
Ab August 2011 werden die neuen Berufsbilder Medientechnologe Druck und Medientechnologe Siebdruck Wirklichkeit und ersetzen damit die bisherigen Berufe des Druckers und Siebdruckers. Dies wurde am 17. Januar 2011 von den Bildungs- und Wirtschaftsministerien des Bundes beschlossen. Auch für andere Berufe der Branche hat der bvdm gemeinsam mit Sachverständigen die notwendigsten Reformen anvisiert. So soll der Medientechnologe Druckverarbeitung den industriellen Buchbinder, der Mediengestalter Flexografie den Flexografen und der Packmitteltechnologe den Verpackungsmittelmechaniker ersetzen. Bereits im Vorfeld hat sich das Handwerk für die bestehende Berufsbezeichnung Buchbinder entschieden, so daß es in der Druckweiterverarbeitung zukünftig zwei Berufsbilder geben wird. „Die neuen Berufsbilder sind ein entscheidener Baustein für die Zukunftsfähigkeit der Betriebe. Sie sichern den Unternehmen das notwendige Know-how und sind die Antwort auf die enormen technischen Veränderungen in der gesamten Druck- und Medienproduktion“, sagt Dr. P. A. Deimel. Im Hinblick auf den demografischen Wandel, der einen starken Rückgang an Geburten prognostiziert, sei es von großer Bedeutung, daß die Druckbranche nun ihre Zukunft mit der Nachwuchsförderung von Fachpersonal sichert.