Aus den Unternehmen
„Der Druckmaschinenbau hat Zukunft – aber auf einem anderen Niveau“
Mittwoch 05. November 2014 - Die Habasit GmbH aus dem südhessischen Eppertshausen ist die zweitgrößte von 34 Tochtergesellschaften der Schweizer Habasit AG. Sie produziert Transportbänder, Antriebsriemen, Zahnriemen und Kunststoffgliederketten. Der Druck- und Papiermaschinenbau gehört zu ihren wichtigsten Abnehmern. Thomas Reibstein leitet den Vertrieb in diesem Segment. Der Ingenieur ist seit knapp 30 Jahren im Unternehmen. Im Gespräch blickt er auf Erfolgsfaktoren und die Zukunft des Drucks.
Herr Reibstein, können Sie uns einen kurzen Überblick über Habasit geben?
Thomas Reibstein: Gern. Habasit wurde 1946 von Fernand Habegger und seiner Frau Alice in Basel gegründet. Der Name setzt sich aus Ha-begger, Bas-el sowie der aus der Kunststoffwelt entliehenen Endsilbe -it zusammen. Kunststoffe stehen im Zentrum unseres Geschäfts. Habasit entwickelt, fertigt und vertreibt Transportbänder und Antriebsriemen in allen erdenklichen Ausführungen, etwa auch für Supermarktkassen oder Gepäckscanner.
Welche Rolle spielt der Druck- und Papiermaschinenbau?
Der Bereich Druck und Papier hat in der Firmengeschichte einen sehr hohen Stellenwert. Allerdings wachsen andere Segmente in den letzten 15 Jahren weit dynamischer. Etwa der Lebensmittelbereich, die vollautomatische Herstellung und Verpackung von Lebensmitteln.
Wie sieht es im traditionellen Druckmarkt aus?
Wir alle kennen die Entwicklung. Stagnierend bis rückläufig. Es bleibt aber ein großer und wichtiger Markt, der seine Berechtigung behalten wird. Ich persönlich erwarte nicht, dass Buch oder Zeitung verschwinden. Aber die Gewichte verschieben sich. E-Book und Internet werden die Nachfrage nach Druckprodukten weiter schmälern. Wir werden wohl nicht mehr das Niveau erreichen, das wir vor wenigen Jahren hatten. Im Druckmaschinenmarkt wächst der Digitaldruck viel dynamischer, als analoge Verfahren. Das hat Auswirkungen.
Welche?
Unsere Kunden arbeiten nur noch selten mit Auflagen wie bei Harry Potter. Ihre Maschinen müssen Stückzahl 1 beherrschen. Das ist für uns eine Veränderung – keine Einschränkung. Wir sind als Zulieferer nicht an der Druckmaschine selber aktiv, sondern im Umfeld. Das beginnt mit Bändern in Falz-Apparaten und zieht sich durch die Weiterverarbeitung: was immer da transportiert, zusammengeführt und gebündelt wird, kann über unsere Transport- und Maschinenbänder laufen. Die Bänder sind in der Regel 50 bis 80 cm breit, die Riemen um 20 mm; davon laufen mehrere nebeneinander. Auch unsere Antriebsriemen sind in Druckereimaschinen im Einsatz – also Flachriemen, die Antriebskräfte übertragen. Obendrein liefern wir Zahnriemen auf Polyurethan-Basis für die Fördertechnik und robuste, modulare Kunststoffgliederketten, die im Verpackungsbereich gefragt sind.
Die Habasit AG investiert acht Prozent ihres Umsatzes in F&E. Was wird geforscht?
Unsere Bänder und Riemen sind Materialverbunde mit unterschiedlichsten Kunststoffen, textilen Zwischenschichten, Haftvermittlern, Farben. Es gibt gerade Bänder, Kurven- oder Spiralbänder – und Dutzende unterschiedliche Oberflächenstrukturen. Es gibt im Prinzip nichts, was es nicht gibt. Unsere Entwickler müssen im Kopf behalten, dass Bänder und Riemen sich in reproduzierbarer Qualität fertigen lassen. Dazu können sie auf weit über 30 verschiedene Fertigungslinien mit bis über 4.000 mm Bahnbreite zugreifen.
Habasit wächst. Worauf geht der Erfolg zurück?
Unser Geschäft ist stark diversifiziert. Vom Laufband im Fitnessstudio, über Kassenbänder im Supermarkt bis zu Transportbändern in Automobilbau oder Getränkeabfüllung. Zudem setzen wir auf hoch spezialisierten technischen Vertrieb. Es gab einen Versuch, den Vertrieb der Bänder und Riemen mit Antriebstechnik unserer Konzernschwester Rossi zu vereinen…
warum blieb es beim Versuch?
Früher hatten viele Maschinenbauer in ihren Konstruktionsabteilungen Experten, die sich in unserer Produktwelt auskannten, wie wir selbst. Die gibt es kaum noch. Kunden erwarten, dass wir genau wissen, was sie brauchen und ihnen passende Lösungen liefern. Zudem ist das Angebot an Bändern und Riemen heute derart breit gefächert, dass ein Experte allein den Markt kaum noch überblicken kann.
Zurück zu Druck und Papier. Investiert Habasit hier noch trotz Stagnation?
Wir sind ständig dabei, unsere Produkte zu verbessern. Erst recht, wenn unsere wichtigen Kunden aus dem Druckmaschinenbau Bedarf signalisieren. Das passiert unabhängig von der Diskussion um die Zukunft des Buchs. Zur letzten drupa haben wir mit einem führenden Buchbindereimaschinen-Hersteller eine Zahnriemenlösung zur exakten Positionierung von Bucheinbänden entwickelt, die sich in diesem Bereich durchgesetzt hat; auch wenn das daraus resultierende Geschäft eher bescheiden war.
Also Investitionen wie gehabt?
Natürlich gibt es eine gewisse Zurückhaltung bei unseren Kunden aus dem Bereich Druck und Papier. Doch es wird in die Zukunft investiert. Der künftige Markt wird ein anderer sein, als vor 10 Jahren. Das ist aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.
Sondern?
Es geht darum, erfolgreiche Konzepte zu beobachten und daraus zu lernen. Etwa die klare Tendenz zur Zentralisierung im Druckmarkt. Beispiel Druckzentrum Rhein-Main. Da haben sich einige Druckereien zusammengetan, ein komplett neues Werk gebaut, in dem sie sich auf Zeitungsdruck konzentrieren. Das funktioniert. Klarer Fokus. Klare Ausrichtung des Maschinenparks. Ich sehe in solchen fokussierten Geschäftsmodellen gute Aussichten für Drucker, Druckmaschinenbauer und für uns als Zulieferer. Die Zeiten ändern sich. Aber der Druckmarkt ist und bleibt ein interessanter Markt.