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Aus den Unternehmen

Automation macht nur Sinn, wo sie sich auszahlt

Zum Kern-Knowhow zählt zudem die Fertigung von Groß- und Präzisionsteilen.

Dienstag 29. November 2016 - Die Mönchengladbacher Dürselen GmbH & Co.KG ist führend im Bereich Papierbohrtechnik. Daneben entwickelt und realisiert sie Sondermaschinen und Automatisierungslösungen. Zum Kern-Knowhow zählt zudem die Fertigung von Groß- und Präzisionsteilen.

Im Interview erklärt Dirk Berg, Geschäftsführender Gesellschafter, wo Automation Grenzen hat, wie sich Papierbohrprozesse weiter optimieren lassen und warum er die Diversifizierung der Produkte, Leistungen und Zielmärkte seines Unternehmens vorantreibt.

Herr Berg, können Sie uns Ihre Firma Dürselen kurz vorstellen?
Dirk Berg: Gern. Nach der Gründung 1966 hat sich das Unternehmen vom Zulieferer zum Maschinenbauer entwickelt – und sich in den 1990er Jahren auf Papierbohrmaschinen und deren Peripherie spezialisiert. Wir bieten daneben Transport und Verpackungssysteme sowie die Auftragsfertigung von Großkomponenten und Präzisionsteilen an. Zudem entwickeln und bauen wir Sondermaschinen samt Automatisierungslösungen. Im Augenblick haben wir 22 Mitarbeiter, darunter drei Auszubildende. Unsere Jahresumsätze bewegen sich im Bereich um 2,5 Mio. €. Ich selbst habe das Unternehmen und die Geschäftsführung Im Herbst 2015 von dem bisherigen Inhaber Hans-Joachim Dürselen übernommen, der altersbedingt ausscheiden wollte.

Wie verteilen sich Ihre Umsätze auf die genannten Bereiche?
Berg: Die Papierbohrtechnik, Finishing-Systeme und Verpackungsmaschinen für die graphische Industrie macht etwa ein Viertel unserer Umsätze aus. Die anderen 75 Prozent entfallen auf Fertigungsdienstleistung und Zuliefertätigkeit. Wir fräsen und bohren Präzisionsbauteile und Großteile bis 16 Meter Länge und 50 Tonnen Gewicht. Abnehmer sind der Werkzeug-, Textil- und Verpackungsmaschinenbau, Automobilzulieferer und Kunden aus der Luft- und Raumfahrt.

Wer sind Ihre Abnehmer in der graphischen Industrie?
Berg: Das sind in aller Regel die Endkunden – also Buchbindereien und Druckereien. Wir haben ein globales Vertragshändlernetz, das unsere Maschinen vertreibt und meist auch den Service übernimmt.

Inwieweit sehen Sie ihre Papierbohrtechnik durch zunehmend digitale Abläufe in „papierlosen Büros“ bedroht?
Berg: Ich sehe Digitalisierung nicht als Bedrohung. Sie ist die Zukunft, der wir uns stellen. Die Stückzahlen bei den Papierbohrmaschinen sind klar rückläufig und werden nicht wieder auf das Niveau der letzten Jahrzehnte zurückkehren. Wir verwenden viel Energie darauf, unsere führende Position in dem kleiner werdenden Markt zu behaupten – und auszubauen.

Wie?
Berg: Indem wir unsere Maschinen weiterentwickeln und um neue technische Features erweitern. Qualitativ sind wir ohnehin führend. Wir bekommen Maschinen, die beim Kunden bereits weit über 20 Jahre laufen zur Generalüberholung, und die laufen danach mindestens zehn weitere Jahre. Wir würden natürlich lieber neue Maschinen verkaufen – aber diese Qualität spricht für unsere Marke.
Auf der drupa 2016 war Print 4.0 mit digital vernetzten Prozessketten eines der prägenden Themen. Ist im Zuge der Digitalisierung mit steigenden Verkaufszahlen dann mit vernetzter Papierbohrtechnik zu rechnen?

Berg: Es gibt natürlich Druckereien, die diesen Weg in Richtung Print 4.0 gehen. Aber es gibt auch die vielen kleinen Buchbindereien und Hinterhof-Druckereien, die diese Investitionen nicht stemmen können. Auch die digitalen Druckereien müssen bereits vorhandene Papierbohrer nicht zwangsläufig ersetzen, nur um dann neu angeschaffte Technik in 4.0-Prozessketten einzubinden. Unsere Maschinen verfügen über die benötigten Schnittstellen für die Einbindung in die vernetzte Produktion.

Sie bieten Büro-Papierbohrmaschinen mit ein bis zwei Bohrköpfen, aber auch programmierbare Papierbohrmaschinen mit 22 Bohrköpfen. Was können Bohrer besser als Stanzen oder Laser?
Berg: Beim Bohren bekommen Sie gratfreie Löcher. Das Papier wird nicht beschädigt, und lässt sich dadurch besser weiterverarbeiten. Auch die Kombination unterschiedlicher Lochlösungen ist einfacher. So etwa beim Kalender, wo sie neben Löchern für den Drahtkamm in der Mitte ein Daumenloch brauchen.

Ihre Systeme sind auf minimalen Verschleiß ausgerichtet – Bohrbänder als Unterlagen, µm-genauer Ausgleich zwischen nachgeschliffenen und neuen Bohrern, Kühlung und Schmierung im Prozess…
Berg: …wobei das Schmieren und Kühlen in so feiner Dosierung erfolgt, dass auf dem Papier keinerlei Spuren sichtbar sind. Wir erreichen dadurch und die anderen genannten Maßnahmen erheblich längere Standzeiten des Bohrers. Um die Produktivität weiter zu steigern und Rüstzeiten zu minimieren, arbeiten wir auch an der Kombination unterschiedlicher Arbeitsgänge. Es geht darum, durch effizientere Prozesslösungen Stückkosten zu reduzieren.

Beim Einrichten Ihrer Maschinen für variierende Lochabstände werden die Bohrköpfe noch manuell verschoben. Gibt es dafür Automatisierungsansätze?
Berg: Ja, wir haben dafür unsere DOD-(Drilling-on-demand)-Modelle entwickelt. Diese Maschinen können im vernetzten Betrieb alle möglichen Bohrmuster oder Bohrbilder ab Losgröße 1 voll automatisiert fertigen. Die manuelle Verstellung ist aber kostengünstiger und dadurch bei größeren Auflagen effizienter.

Eine Frage zu Ihrem Maschinenbau. Sehen sie additive Fertigungsverfahren als mögliche Ergänzung, um Präzisionsteile oder Einzelteile für Sondermaschinen zu fertigen?
Berg: Wir beobachten die Technologie. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir künftig in diese Richtung investieren – sofern es sich betriebswirtschaftlich für uns rechnet.

Planen Sie eine weitere Internationalisierung und Branchendiversifizierung?
Berg: Wir werden nicht aktiv ins Ausland gehen und eigene Niederlassungen aufmachen – sondern unser Händlernetz gezielt ausbauen. Zur Diversifizierung: Wir arbeiten daran, unser Knowhow in andere Branchen wie den Verpackungsbereich zu übertragen. Ein Beispiel ist unser Dürselen-Automat VA 02, der Prospekte voll automatisiert verpackt. Der Verpackungsmarkt ist natürlich interessant. Aber unser Knowhow fließt auch in den Sondermaschinenbau und die Automatisierungslösungen ein, die wir für Kunden umsetzen.

Wenn Sie sich Dürselen im Jahr 2030 vorstellen, was sehen Sie?
Berg: Wir werden eine Marke sein, die sowohl im graphischen Bereich als bei der Fertigungsdienstleistung für höchste Qualität steht. Dürselen hat sich in den letzten 50 Jahren einen sehr guten Ruf erarbeitet, den wir pflegen wollen. Wer Papierbohrer, Präzisionsteile oder automatisierte Sonderlösungen braucht, wird von uns auch im Jahr 2030 grundsolide und gut durchdachte Lösungen bekommen.

www.vdma.org
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