Aus den Unternehmen
200 Jahre Koenig & Bauer: Innovationsreicher Weg von der Zylinder-Schnellpresse bis zum Digitaldruck
Freitag 09. Juni 2017 - Im August 2017 wird die Koenig & Bauer AG (KBA) in Würzburg 200 Jahre alt. Aus der weltweit ersten Schnellpressenfabrik von 1817 ist ein international führender Drucktechnikkonzern mit einem einzigartig breiten Portfolio an Print-Lösungen entstanden. Gefeiert wird der runde Geburtstag vom 21. bis 23. September. Dann soll es auch Neuigkeiten zur Strategie und zum Marktauftritt im nächsten Firmenjahrhundert geben. Heute blicken wir zurück.
Durchbruch in London
Die Zeiten haben sich geändert. Im frühen 19. Jahrhundert gab es in Deutschland noch keine risikofreudigen Geldgeber und kein industrielles Umfeld. Also reiste der gelernte Drucker und unermüdliche Erfinder Friedrich Koenig 1807 nach London, um seine Vision einer von einer Dampfmaschine angetriebenen Druckpresse umzusetzen. Dort traf er den Feinmechaniker Andreas Bauer und im November 1814 wurde The Times als erste Zeitung auf ihrer Doppelzylindermaschine produziert. Damit schufen die beiden die Basis für den industriellen Druck und den Zugang breiterer Bevölkerungsschichten zu Printmedien.
Produktion im Kloster
Am 9. August 1817 unterzeichneten Friedrich Koenig und Andreas Bauer den Gründungsvertrag der Schnellpressenfabrik Koenig & Bauer im Kloster Oberzell bei Würzburg und 1823 wurde die Haude und Spenersche Zeitung in Berlin als erste Publikation auf dem europäischen Kontinent auf Maschinen aus Oberzell gedruckt.
1833 verstarb Friedrich Koenig. Seine Witwe Fanny Koenig und Andreas Bauer setzten sein Werk fort. Neue Maschinen wurden entwickelt und 1838 bereits die Hundertste ausgeliefert. Junge Fachkräfte gingen weg und gründeten eigene Fabriken. So wurde Oberzell zur Wiege des deutschen Druckmaschinenbaus. 1860 ging die Gründerzeit der Firma mit dem Tod von Andreas Bauer zu Ende.
Frühe soziale Errungenschaften
Die beiden Söhne Wilhelm Koenig und Friedrich Koenig jr. entwickelten neue Maschinen, modernisierten die Betriebsabläufe und führten soziale Neuerungen ein. Nach der 1855 gegründeten Fabrikkrankenkasse entstand 1865 eine Fabriksparkasse und 1868 die Fabrik-Fortbildungsschule als Vorläuferin der heutigen Werkberufsschule in Würzburg. Das Fabrikstatut von 1873 definierte Rechte und Pflichten für Mitarbeiter und Vorgesetzte und begründete einen Fabrikrat ? betriebliche Mitbestimmung vor über 140 Jahren.
1876: Ära des Rollendrucks beginnt
Die erste Hochdruck-Rollenrotation lieferte Koenig & Bauer 1876 nach Magdeburg. 1886 kreierte Wilhelm Koenig die variable Rotationsmaschine, 1888 die erste Vierfarben-Rotation und Spezialmaschinen für luxuriöse Drucksachen. Zusätzlich beschäftigte er sich mit dem Wertpapierdruck, in dem Koenig & Bauer später zum Technologieführer wurde. 1895 verließ die 5000. Schnellpresse das Werk.
Von 1895 bis in die 1920er Jahre, standen Albrecht Bolza, ein Enkel des Gründers, und Constantin Koenig an der Spitze. Am heutigen Standort des Stammwerkes entstand 1901 eine neue Fabrik. Die 225 Meter lange Fertigungshalle war damals eine der größten in Deutschland. Illustrations- und Tiefdruckrotationen wurden geliefert, die Entwicklung der Bogenmaschinen vorangetrieben. Neben Druckmaschinen gingen Prägepressen und Plattengießmaschinen in alle Welt.
Zerstörung und Wiederaufbau
Nach dem 1. Weltkrieg erwarb sich Dr. Hans Bolza, ein Urenkel Friedrich Koenigs, bei der Wiederherstellung abgerissener Auslandsbeziehungen große Verdienste. Er wurde 1920 in den Vorstand des in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens berufen und war von 1931 bis 1971 Vorstandsvorsitzender.
Die Hyperinflation in den 1920er Jahren überstand Koenig & Bauer dank der neu entwickelten Sammeldruckmaschine Iris für farbige Banknoten. Im März 1945 zerstörten Bomben und Artilleriegranaten die Würzburger Werke. 1946 begann der Wiederaufbau. Mit einem Grundkapital von 4,1 Mio. DM startete Koenig & Bauer 1949 nach der Währungsreform in das deutsche Wirtschaftswunder.
1952: Erfolgsgeschichte Wertpapierdruck
1952 begann die Zusammenarbeit mit dem Wertpapierdruck-Experten Gualtiero Giori. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war 1951 der Eintritt des jungen Konstrukteurs Dr. Hans-Bernhard Schünemann aus einer Bremer Verlegerfamilie. Sein erstes von über 250 Patenten war die Modifikation des sog. „Malteser Kreuzes“ für die von ihm konstruierte Bogentiefdruckmaschine Rembrandt MT III. 1959 adoptierte Dr. Hans Bolza den begnadeten Konstrukteur.
Von 1971 bis 1995 war Dr. Bolza-Schünemann fast 25 Jahre lang Vorstandsvorsitzender und Initiator der ab 1990 entstehenden KBA-Gruppe. Anschließend leitete sein enger Partner, der langjährige Finanzvorstand Reinhart Siewert erfolgreich das Unternehmen. Nach der Jahrtausendwende folgten Albrecht (2003 – 2009) und Claus Bolza-Schünemann (seit 2011) als Vertreter der sechsten Familien-Generation an der Spitze des Vorstands.
Erfolgsmodelle Condor und Rotafolio
Trotz der wachsenden Offset-Konkurrenz in den 1960er und 1970er Jahren hielt Koenig & Bauer bei Bogen- und Rollendruckmaschinen noch lange am bewährten Hochdruckverfahren fest. Neben den gemeinsam mit De La Rue Giori entwickelten Banknotendruckmaschinen und den Rembrandt-Bogentiefdruckanlagen waren die Zweitourenmaschine Condor und die ab 1963 gelieferte Rotafolio für Wickelplatten weltweit sehr erfolgreich.
High Performance im Bogenoffset seit 1974
Die erste Bogenoffsetmaschine zeigten die Würzburger auf der drupa 1967 mit der Koebau-Rapida 0 im Halbformat. 1969 folgte die Koebau-Rapida III im Mittelformat. Beide liefen mit maximal 8.000 Bogen/h. Mit 15.000 Bogen/h fast doppelt so schnell war die Koebau-Rapida SR III von 1974. Maschinen anderer Hersteller erreichten diese Leistung erst viel später.
1986 brachte Koenig & Bauer mit der Rapida 104 in Reihenbauweise eine sehr flexible Maschine mit 15.000 Bogen/h auf den Markt. Sie wurde 1992 zur neuen Tochter KBA-Planeta AG verlagert und war die Keimzelle für die heutigen Hochleistungs-Bogenoffsetmaschinen aus Radebeul. So ist die aktuelle Rapida 106 mit bis zu 20.000 Bogen/h, extrem schnellen Jobwechseln und bis zu 19 Druck- und Veredelungswerken seit Jahren das Benchmark im Mittelformat.
Die heutigen Großformat-Baureihen Rapida 145 und 164 gehen auf die in den 1990er Jahren in Radebeul mit Unterstützung aus Würzburg neu entwickelten Maschinen Rapida 142 und 162 zurück. Die Rapida-Jumbos verdrängten andere Fabrikate aus vielen Druckereien und legten den Grundstein für die führende Position von KBA-Sheetfed in den großen Formatklassen. Dies bestätigte Radebeul 2003 mit der weltgrößten Bogenoffsetmaschine Rapida 205.
Vorreiter bei neuen Verfahren
Wie die Franken bei Rollenmaschinen gingen die Sachsen bei Bogenmaschinen auf der Suche nach einfacheren und wirtschaftlichen Lösungen immer wieder eigene Wege. Beispiele waren die gemeinsam mit der israelischen Scitex Corp. entwickelte DI-Offsetmaschine 74 Karat mit Direktbebilderung der Druckplatten in der Maschine von 1997 und die Schwestermaschine Rapida 74 G aus dem Jahr 2000. Beide waren mit Kurzfarbwerken für den wasserlosen Druck ausgestattet. Für diese unter Qualitäts- und Umweltgesichtspunkten zukunftsweisende Technologie hat sich KBA in den letzten 20 Jahren besonders engagiert.
Bei innovativen Verfahren für die Inline-Veredelung, den Öko-Druck, den Wellpappen-Direktdruck oder jüngst den LED-UV-Druck war und ist KBA-Sheetfed oft Vorreiter. Der 2016 erfolgte Einstieg in die Druckweiterverarbeitung und die zur drupa angekündigte digitale Bogenmaschine VariJET 106 eröffnen weitere Perspektiven.
World Firsts im Rollendruck
In Würzburg begann die Rollenoffset-Ära 1969 mit dem Commander. Mit der Zeit wurden die damals dominierenden Satelliten-Rotationen immer komplexer. Anfang der 1990er Jahre begegnete man diesem Trend mit den Achterturmmaschinen Journal und Colora. Später kamen die einfachbreiten Baureihen Comet und Continent dazu. Mit den günstigeren Achterturmmaschinen erreichte man international viele neue Kunden, die zum Aufstieg zur Nummer 1 im Zeitungsdruck beitrugen.
Auch bei Rollenmaschinen wagten sich die Würzburger oft an Neues. So produzierte schon auf der drupa 1995 eine Anilox-Express mit automatischem Plattenwechsel und Inkjet-Köpfen von Scitex im Überbau. Diese druckten digital in jedes Offsetexemplar wechselnde Karikaturen ein. Es sollte dann aber noch 18 Jahre dauern, bis Inkjet-Technologie in Offsetrotationen eingesetzt wurden.
Auf der drupa 2000 leitete KBA mit der weniger als 4 m hohen Cortina einen neuen Trend zu kompakten, hoch automatisierten Zeitungsrotationen ein. Neu im Zeitungsdruck waren auch der Verzicht auf Feuchtwerke, der in der Mitte auseinander fahrbare Achterturm, Einzelantriebe für jeden Zylinder und die komfortable Bedienung mit Liften an den Drucktürmen. Dem gleichen Konzept folgte 2007 die Commander CT im Nassoffset. Beide Anlagen sind bis heute am Markt einzigartig.
Medienwandel und Neuausrichtung
Schon in den frühen 1990er Jahren machte das World Wide Web erste Gehversuche. Auch in der Drucktechnik betraten neue digitale Mitbewerber die Bühne. Im Zuge der wachsenden Online-Konkurrenz und der Finanzkrise brach 2008 der Neumaschinenmarkt für Offsetrotationen drastisch ein. 2011 stieg Koenig & Bauer in den Digitaldruck ein und zeigte auf der drupa 2012 mit der RotaJET 76 die erste Inkjet-Rotation. Heute werden mit den RotaJET VL-Baureihen für den Dekordruck und der für die amerikanische HP Corp. gefertigten HP T1100S für Wellpappen-Verpackungen die größten Digitaldruck-Rotationen der Welt in Würzburg gefertigt.
Frühe Diversifizierung
1985 war Koenig & Bauer an die Börse gegangen. Mit der Übernahme der Albert-Frankenthal AG und der Planeta-Druckmaschinenwerke entstand Anfang der 1990er Jahre ein mittelständischer Konzern mit einem Umsatz von über 1,1 Mrd. DM. Unmittelbar nach der Jahrtausendwende trieb das Management die Diversifizierung in weniger vom Medienwandel betroffene Märkte voran.
Mit dem Erwerb des Schweizer Partners De La Rue Giori SA in Lausanne sicherte KBA 2001 seine führende Position im Banknotenmarkt. Der Kauf der Metronic GmbH öffnete KBA 2004 den großen Markt für industrielle Kennzeichnungssysteme. Die Akquisitionen von Bauer + Kunzi und LTG Print Systems mit anschließender Fusion zur KBA-MetalPrint GmbH machten KBA 2006 zur Nummer 1 im Blechdruck. Mit der im Glaskörperdruck führenden KBA-Kammann GmbH und der im Segment flexible Verpackungen tätigen KBA-Flexotecnica S.p.A. erweiterte KBA 2013 sein Angebot für den breit gefächerten Verpackungsmarkt. Dem gleichen Zweck diente 2016 die Übernahme des spanischen Stanzmaschinenherstellers.
Die frühe Diversifizierung hat dabei geholfen, dass KBA den Strukturwandel in der Branchenkrise besser bewältigt hat als andere Druckmaschinenhersteller. Zur Jahrtausendwende wurden noch über 60 Prozent des Neumaschinenumsatzes in von den Online-Medien bedrängten Märkten erzielt. Heute entfallen 90 Prozent auf die Wachstumsmärkte Digital- und Verpackungsdruck sowie den Sicherheitsdruck.
Drucktechnik für alle Fälle
Mit der marktorientierten Neuausrichtung der Kapazitäten, der Einführung einer kundennahen Holdingstruktur und dem klaren Fokus auf zukunftsträchtigen Printmärkten hat sich der älteste Druckmaschinenbauer der Welt in den Jahren 2014 und 2015 auf die voranschreitende Digitalisierung und Globalisierung gut vorbereitet.
Heute werden mit analogen und digitalen KBA-Technologien Banknoten, Blechdosen, Bücher, Broschüren, Displays, Dekore, Etiketten, Glas- und Kunststoffbehälter, Karton- und Folienverpackungen, Kataloge, Laminate, Magazine, Reifen, Kabel, Smart Cards, Werbeflyer, Zeitungen und einiges mehr bedruckt, veredelt und teilweise weiterverarbeitet. Dabei kommen fast alle gängigen Verfahren zum Einsatz. Diese Breite schafft ein einzigartiges Know-how für Innovationen, neue Anwendungen und neue Partnerschaften.