Aus den Unternehmen
Auftakt nach Maß
Montag 13. Dezember 2010 - Das erste Internationale Etikettenseminar von Zeller+Gmelin am 7. und 8. Oktober 2010 in Stuttgart übertrifft die Erwartungen
Für das Unternehmen Zeller+Gmelin GmbH & Co. KG Branchenseminare mit internationaler Beteiligung sind für das keine Neuheit. Schließlich veranstaltet der Druckfarbenspezialist aus Eislingen seit Jahren eine erfolgreiche Seminarreihe für den Bereich der Dekoration von Kunststoff-Formkörpern (z.B. Becher, Tuben, Eimer, etc.), die sich als Traditionsveranstaltung mit internationalem Renommee etabliert hat. Anfang Oktober hat Zeller+Gmelin mit dem ersten Internationalen Etikettenseminar erneut den Nerv einer speziellen Zielgruppe getroffen. Dazu trug zum einen das aktuelle Thema Migration als Schwerpunkt bei den Vorträgen bei als auch die parallel zu den Vorträgen durchgeführte Fachausstellung, auf der sich rund 20 Firmen aus der Branche präsentierten.
Ursprünglich auf eine Beteiligung von 200 Personen ausgelegt, wurden die Organisatoren im Vorfeld der Veranstaltung vom großen Interesse der Branche überrascht. Am Ende waren es 260 Teilnehmer, die zur Premiere nach Stuttgart kamen. Für Zeller+Gmelin ist der Erfolg des Etikettenseminars eine Bestätigung für die vor zwölf Jahren eingeschlagene Spezialisierung auf UV-härtbare Farben und Lacke, so Andreas Mahlich, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, in seiner Eröffnungsrede. Solche Farbsysteme sind in bestimmten Marktsegmenten – z.B. im schmalbahnigen Etikettendruck – weit verbreitet, weshalb das Unternehmen seine Position zukünftig vor allem hier weiter festigen will. Dazu baut der Eislinger Druckfarbenhersteller u.a. sein Programm an migrationsarmen Farben aus und vergrößert seine Kapazitäten im Bereich der Analytik.
Einen Befürworter des Etikettenseminars fand Zeller+Gmelin auch im Branchenverband VskE. Der erste Vorsitzende Robert Mägerlein wies in seinem Grußwort auf die wichtige Funktion solcher Veranstaltungen zum Informationsaustausch für die Etikettenindustrie hin.
Das anschließende Vortragsprogramm, moderiert von Marcus Ruckstädter, Gesamtvertriebsleiter bei Zeller+Gmelin, griff gleich im ersten Vortrag das Schwerpunktthema Migration auf. Dr. Stéphane Papilloud, bei Nestlé Leiter Sicherheit für Lebensmittelverpackungen, beschrieb die aktuellen Herausforderungen für sein Unternehmen. Die daraus folgenden Anforderungen an Verpackungen seien nicht zu unterschätzen. Sie hätten spürbare wirtschaftliche Konsequenzen für die gesamte Wertschöpfungskette. Situationen wie die Migrationsfunde von ITX oder 4-Methylbenzophenon haben die Welt der Verpackung unumkehrbar verändert. Der Nahrungsmittelhersteller Nestlé setzt in Zukunft verstärkt auf engere und bessere Partnerschaften mit Lieferunternehmen. Von Druckfarbenherstellern erwarte das Unternehmen beispielsweise bezahlbare migrationsarme Farbsysteme, die alle geltenden Richtlinien erfüllen.
Zusätzlich zu den gesetzlichen Richtlinien setzt Nestlé auf unternehmenseigene Standards. Von den 25 dort aufgeführten Themen beschäftigen sich vier mit Verpackungsdruckfarben. Dabei geht es um den Druck auf der Außenseite der Verpackung ebenso wie um die Bedruckung der Innenseite sowie um die Verfahren UV-Druck und Inkjet. Seit April 2010 hat Nestlé zudem einen neuen Leitfaden für Verpackungsdruckfarben herausgebracht. UV-Farben bezeichnete Stéphane Papilloud in diesem Zusammenhang als Technologie mit Zukunft, die stärker zum Einsatz kommen sollte. Allerdings seien sehr gut kontrollierte Bedingungen erforderlich. In dieser Hinsicht forciert Nestlé die Schweizer „Drucktinten-Verordnung“, die das Unternehmen gemeinsam mit anderen Markenartikelkonzernen weltweit als Standard durchsetzen will.
Dass Stéphane Papilloud eine Lanze für UV-Farben brach, begründete er damit, dass strahlenhärtende Farbsysteme mittlerweile weitaus besser erforscht seien als lösemittel- oder wasserbasierte Farben. Letztere würden zahlreiche Additive enthalten, über deren Eigenschaften zu wenig bekannt sei. Farben, die Bestandteile an Mineralöl beinhalten, haben nach seiner Auffassung keine Zukunft im Bereich der Lebensmittelverpackung.
Jürgen Walther, Zeller+Gmelin, beschrieb Tests, die der Druckfarbenhersteller gemeinsam mit dem Maschinenhersteller Müller Martini, dem Folienlieferanten Ineos Films und dem Walzenanbieter Böttcher durchgeführt hat, um Antworten zu typischen Fragen bei der Umstellung auf migrationsarme Druckfarben zu finden. So wollen Anwender z.B. wissen, ob bei der Umstellung einer Offsetrotation neue Walzenstühle erforderlich sind, das Feuchtwasser zu wechseln sei oder ob ein Wechselbetrieb überhaupt sinnvoll ist.
Zwar erwies sich bei fünf getesteten Reinigungsmethoden, die zum Teil mit großem Aufwand verbunden sind, immerhin eine für den Wechselbetrieb geeignet. Trotzdem riet Jürgen Walther von einem Wechsel zwischen migrationsarmen und Standarddruckfarben ab, da die Risiken für Verunreinigungen oder Unachtsamkeiten zu hoch seien. Eine konsequent migrationsarme Produktion sei im Alltag einer Druckerei mit einem Wechselbetrieb nicht vereinbar. Weiterhin wies er darauf hin, dass die Durchhärtung der Farb- bzw. Lackschicht für eine migrationsarme Produktion unabdingbar sei. Die Überwachung und Kontrolle der UV-Anlage gelte allerdings für den UV-Druck generell.
Vom Thema Migration zur Analysetechnik ist es nicht weit, wie Dr. Heinz Schweiger, Zeller+Gmelin, in seinem Referat erklärte. Beim Analysieren von potenziellen Migrationsrisiken sind Haftetiketten dabei als Teil der Verpackung zu sehen. Der Druckfarbenhersteller hat deshalb kräftig in die technische Ausstattung des unternehmenseigenen Analytik-Zentrums investiert. Dr. Schweiger wies in diesem Zusammenhang auch auf die praktische Durchführung von Tests und grundsätzliche Anforderungen an Prüfmuster hin. Fehler bei der Probenahme können den gesamten Test gefährden.
Abschließend appellierte der Referent an alle Beteiligten innerhalb der Lieferkette für Lebensmittelverpackungen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. Konformität sei nur zu erreichen, wenn alle im Prozess eingebundenen Teile wie in einem Räderwerk ineinandergreifen. Eine mögliche Erleichterung verspricht er sich in Zukunft von eher unerwarteter Seite. So berichtete er von Bemühungen der EU, das Regelwerk zu vereinfachen. Für die Kunststoffrichtlinie liege beispielsweise ein entsprechender Vorschlag vor.
Die enge Zusammenarbeit der Prozessbeteiligten sieht auch Dirk Jägers, Geschäftsführer der IST-Metz-Gruppe, als Lösung für kritische Themen wie Migration im Bereich der Lebensmittelverpackung. War es in der Vergangenheit für UV-Anbieter möglich, neue System-Generationen zu entwickeln, die z.B. bei deutlich geringerem Energieeinsatz die gleiche Härtungsleistung erzielen wie ihre Vorgängermodelle, so ist für die innovative Entwicklung der UV-Technologie in Zukunft ein stärkerer Blick über den Tellerrand zur Optimierung des gesamten UV-Prozesses erforderlich. Als Beispiel beschrieb er die Installation einer UV-Anlage mit geregeltem Inert-Betrieb, die durch eine Zusammenarbeit zwischen Druckmaschinenhersteller, Lackproduzent und UV-Anlagenbau entstanden ist.
Ein weiteres Feld, in dem nach Überzeugung von IST Metz idealerweise alle drei Disziplinen von Mechanik/Maschinenbau über Chemie/Druckfarbe bis zu Physik/UV-System an einem Strang ziehen müssen, um schnelle Fortschritte zu erzielen, ist die UV-LED-Technologie. Über deren aktuelle Anwendungsmöglichkeiten im Druckbereich informierte Stefan Feil, ebenfalls IST Metz GmbH. Er vermittelte einen Überblick über die technischen Voraussetzungen und stellte ein UV-LED-Modul vor, das IST Metz entwickelt hat. In einer Technologiebewertung verglich er die beiden Varianten UV-LED und UV-Lampe hinsichtlich der Kriterien Investition und Platzbedarf, Ersatzteile und Lebensdauer, Farben und Lacke sowie Energie und Umwelt. Unter dem Strich bietet UV-LED interessante Vorteile, denen jedoch noch Schwächen für einen Einsatz im grafischen Bereich entgegenstehen. In seinem Ausblick erwartet Stefan Feil eine schnelle Weiterentwicklung der Technologie, um wichtige Forderungen nach einer verbesserten Effizienz und einer Erhöhung der Leistung zu erfüllen. Speziell für schmalbahnige Anwendungen sei der Einsatz von UV-LED-Modulen denkbar, beispielsweise als Hybridsystem in Kombination mit UV-Lampen.
Wiederum einen Vergleich mit der UV-Härtung, diesmal allerdings mit der Elektronenstrahl-Technologie, zog Andreas Hitzler von Müller Martini. In seinem Referat gab er zunächst einen Überblick zum aktuellen Stand der Maschinentechnik im Bereich des Rollenoffsetdrucks für Etiketten und Verpackungen. Aufgrund der Entwicklungen im Markt (Sortenvielfalt, höherer Anspruch bei der Druckqualität, Nachdrucke mit häufigen Änderungen, exakte Reproduzierbarkeit, niedrige Preise bei Kleinauflagen) habe der Offsetdruck gute Chancen, sich Marktanteile von den Verfahren Flexo- und Tiefdruck zu erobern. Bei den Härtungsverfahren bescheinigte Andreas Hitzler der Elektronenstrahl-Technologie Stärken beim Druck von flexiblen Verpackungen. Die UV-Technik schätzte er dagegen als Allrounder und insgesamt flexibler ein.
Den zweiten Seminartag eröffnete FINAT-Präsident Andrea Vimercati mit einem Vortrag, in dem er die aktuelle Marktsituation der Etikettenindustrie und die Rolle des internationalen Verbandes beschrieb. Der Erfolg dieser Branche wird nach seiner Aussage in Zukunft von innovativen Ideen und Lösungen abhängen, mit denen sich neue Anforderungen von Kunden erfüllen lassen. Um Wachstum zu generieren, werden zudem neue Geschäftsmodelle benötigt. Daneben müssen Unternehmen eine flexible und effiziente Organisation entwickeln, die kontinuierliche Verbesserungen ermöglicht. Wichtig sei auch ein Umfeld, das Kommunikation und Dialog in Netzwerken erlaubt, um so strategische Prozesse, Marketing und Problemlösungen zu fördern. Und last but not least müsste sich die Branche auch zu ökologisch nachhaltigen Projekten bekennen.
Dass Druckfarben nicht die einzige Quelle für eine Migration von Stoffen in Lebensmittel sind, sondern die gesamte Verpackung zu betrachten ist, erläuterte Dr. Ulli Nägele, Leiter Entwicklung und Anwendungstechnik bei Herma. Aus dem gesamten Verbund griff er sich in seinem Referat die Klebstoffe heraus. Als migrationsfähig bezeichnete er Bestandteile der Kleber mit einem geringen Molekulargewicht. Ab einem Gewicht über 1000 Dalton gelten Substanzen als nicht migrationsfähig. Beeinflusst wird die Migration von den physikalisch-chemischen Eigenschaften sowohl der Migranten als auch der Lebensmittel. Für einen direkten Kontakt mit fettigen Lebensmitteln sind nach Einschätzung des Referenten nur acrylatbasierende Haftklebstoffe zu empfehlen. Hotmelt-Kleber auf Kautschukbasis seien für diesen Zweck absolut ungeeignet.
Dr. Nägele wies desweiteren darauf hin, dass Migration auch in die entgegengesetzte Richtung stattfinden kann. Öle, Tenside und Weichmacher, die aus einem Füllgut durch die Verpackung migrieren und den Haftklebstoff „erweichen“, können Blasenbildung oder ein Aufstehen der Ecken eines Etiketts zur Folge haben.
Die Entstehungsgeschichte der Aniflo-Technologie (Anilox Ink Flow) fasste Klaus Sedlmayr von der Chromos GmbH in einem Satz zusammen. „Man gebe die Vorteile von Offset und Flexo in eine Schachtel, schüttle kräftig durch und heraus komme Aniflo.“ Diese Aussage untermauerte er mit einer vergleichenden Bewertung von Offset- und Flexodruckverfahren nach den Kriterien Druckqualität, Prozessstabilität, Wirtschaftlichkeit und Bedienungsfreundlichkeit. Zentrale Merkmale der Aniflo-Technologie sind das Fehlen von Farbzonen und Farbwalzen, da über die Rasterwalze die exakte Farbmenge zur Verfügung gestellt und so eine stets gleiche Farbdichte erzielt wird. Außerdem erübrigt sich im Gegensatz zum Offsetdruck auch die Einstellung der Farb-/Wasserbalance, da es sich um ein wasserloses Druckverfahren handelt. Ein wichtiger Vorteil in der Anwendung ist die geringe Makulaturquote, weil u.a. bereits nach fünf Umdrehungen eine konstante Farbgebung erzielt wird. Insgesamt verringert sich die Makulatur um 60 bis 75% gegenüber einem vergleichbaren walzengeführten Farbwerk. Weitere Merkmale sind:
– kein Schablonieren
– kein Tonen
– gute Reproduzierbarkeit
– einfache Bedienung, da keine Justage am Farbwerk nötig ist,
– geringer Reinigungsaufwand, weil weniger Walzen und
weniger Farbe zum Einsatz kommen,
– Färbung ist jederzeit und sehr einfach reproduzierbar.
Neben dem Vergleich der konventionellen Druckverfahren stellte Klaus Sedlmayr die Aniflo-Technologie auch dem Digitaldruck gegenüber. Bei der wirtschaftlichen Bewertung dieser beiden Varianten sah er den Break-Even-Point bei rund 500 Laufmetern. Als Beleg für diese Aussage führte er verschiedene Kalkulationsbeispiele mit typischen Etikettenaufträgen an.
In einem gemeinsamen Referat berichteten Rolf Schönwiesner, Zeller+Gmelin, und Marcel Britschgi, tesa Bandfix, über die Erfahrungen mit der Installation einer automatischen Farbdosieranlage VX5 der Firma Füll. Im Vergleich zum manuellen Mischen oder dem Mischbetrieb mit elektronischer Unterstützung verzeichnet die Druckerei tesa Bandfix durch die Nutzung des automatischen Dosiersystems eine Steigerung der Produktivität und eine höhere Qualität hinsichtlich Rezepturmanagement und Reproduzierbarkeit. Die gleichzeitige Verwendung eines monopigmentierten Farbsystems von Zeller+Gmelin bietet weitere Vorteile. Da die druckfertigen Konzentrate in jeder Grundfarbe nur ein Pigment enthalten, werden Farbmischungen dadurch farbkräftiger und reiner. In der Folge ist eine Reduzierung der Farbgebung an der Druckmaschine möglich. Weiterhin minimiert sich der Effekt der Metamerie, und die Farbkommunikation mit Farbhersteller wird einfacher und schneller. Desgleichen ist auch die Nachstellung von Wiederholaufträgen unproblematischer.
In einem interessanten und aufschlussreichen Vortrag befasste sich Holger Ostermann von COE mit dem Messen und Beurteilen von Farbe. Er zeigte auf, wie wichtig es für Etikettenhersteller ist, die möglichen Einflussfaktoren zu kennen, die zu Farbtonunterschieden im Druck führen. Bei Drucktests waren dazu Faktoren wie Passer, Rasterwalze, Bedruckstoff und Druckfarbe (Standard-Farbe sowie migrationsarme Farbe) variiert worden. Anschließend wurden die Delta-E-Werte der Versuche ausgewertet. Eine Erkenntis war, dass bei der Umstellung auf migrationsarme Druckfarben keine markanten Farbabweichungen zu erwarten sind. Und innerhalb gewisser Toleranzen ist auch die Verwendung von Archiv-Platten möglich. Außerdem konnte Holger Ostermann belegen, dass Wissen über Farbe und die Grundlagen eine gute und günstige Möglichkeit eröffnet, um Einsparungspotenziale zu nutzen.
Insgesamt ist es Zeller+Gmelin gelungen, mit dem ersten internationalen Etikettenseminar eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die den Teilnehmern in erster Linie einen wertvollen Know-how-Transfer auf technischer Ebene bot. Angesichts dieses Erfolges mit einem Auftakt nach Maß, fällt die Prognose leicht, dem Seminar aussichtsreiche Chancen für eine Fortsetzung zu attestieren.