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Aus den Unternehmen

Digital aus dem Internet in die Druckmaschine

Freitag 30. Juni 2000 - Seit Januar 2000 produziert in der Wiener Offsetdruckerei Schreier & Braune Ges. mbH eine Digital-Bogenoffsetmaschine 74 Karat.

Für Geschäftsführer Robert Dornetshuber und seine neun Mitarbeiter eröffnet sich mit der 74 Karat eine interessante Entwicklungsperspektive vom regional zum international operierenden Unternehmen. Zur drupa 2000 entschieden sich mit der Druckerei PPZ-Zimmer in Wien, Koller-Druck in Salzburg und Stummer Druck in Waidhofen an der Ybs (Niederösterreich) drei weitere Kunden für diese moderne Computer-to-Press-Anlage. Österreich entwickelt sich damit zu einem Vorreiter-Markt für die seit der drupa in Serie gefertigte 74 Karat.

Bei einer gut besuchten Open-House-Veranstaltung Ende April informierte Robert Dornetshuber über seine Entscheidungsgründe für die 74 Karat bzw. seine unternehmerischen Erfahrungen mit dieser zukunftsorientierten Maschine.

Neue Chancen
Computer-to-Press bietet einem grafischen Unternehmen jeder Größe neue Chancen auf dem hart umkämpften Druckmarkt. Voraussetzung ist das Vorhandensein einer digitalen Druckvorstufe. Einerseits ist für Schreier & Braune (S&B) schon immer spezialisiert auf relativ niedrigauflagige Aufträge, die 74 Karat die lang ersehnte, wirtschaftlich weitaus günstigere Alternative zum konventionellen Bogenoffset. Die Kunden kommen, weil die Auflagen jetzt bedarfsgerecht – zumeist zwischen 50 und 3.000 Exemplaren – gedruckt werden können. Pro Stunde sind knapp zwei Aufträge in typischer Auflagenhöhe realisierbar. Die Druckunterlagen bekommt S&B zu 100% in digitaler Form. Filme werden schon seit einigen Jahren nicht mehr angenommen, was die Kunden auch akzeptieren.

Andererseits begreift Dornetshuber die 74 Karat genau aus diesem Grund als einzigartige Chance: Im Internet-Zeitalter sind Datentransfers über Netze nichts Außergewöhnliches mehr. Engpass ist lediglich die Übertragungskapazität des Internets und der ISDN-basierten Lösungen, deren Einwahlknoten außerdem nicht dicht genug vor der Haustür liegen. Deshalb entwickelt Dornetshuber in seiner „Internet-Abteilung“ – denn S&B ist auch Internet Service Provider – seine eigene Lösung, die bis zu 120 ISDN-Kanäle bündeln soll. Geplant ist spätestens im Herbst die Einbindung in einen nahen Netzknoten, der dann den Zugang zu allen europäischen Hauptstädten und darüber hinaus liegenden Standorten ermöglicht. Damit wird S&B zum internationalen, Standort-unabhängigen Druckdienstleister. Zwar waren für Dornetshuber exakte Platz- und Verbrauchskostenrechnungen die Basis, doch hatte der zu erwartende Nutzen von Anfang an eine höhere Priorität.

Warum eine Karat?
Die 74 Karat ist nicht die einzige Offsetdruckmaschine, die die Platten in der Druckmaschine bebildert. Bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beta-Anwendungs-Vertrages hatte Robert Dornetshuber die verfügbaren Wettbewerbsprodukte selbstverständlich verglichen. Die leistungsfähige Controller- und RIP-Lösung, maßgeblich für die schnelle Bewältigung der Bebilderungsaufgaben in der Druckmaschine, war für Dornetshuber entscheidend.

Weitere Kriterien waren die Handhabung der Laser-bebilderbaren Platten in Vorratskassetten (die für bis zu 15 Aufträge ausreichen – etwas weniger als für eine zweischichtige Tagesauslastung), die hohe Passgenauigkeit (der Bogen wird ohne Übergabe auf einem Zentralzylinder bedruckt), das selbstkalibrierende, unkomplizierte, zonenschraubenfreie Gravuflow-Kurzfarbwerk (wie es sein sollte, liegt nun die Verantwortung für die Farbwiedergabe voll und ganz bei der Druckvorstufe), und schließlich die Flexibilität, sowohl beim einseitigen Druck als auch beim 4/4-farbigen Druck (Widerdruck durch Umschlagen oder Umstülpen) immer die volle Kapazität auszulasten. Auch der Pflege- und Wartungsaufwand ist vertretbar: Karat-Drucker Hannes Wedral reinigt zu Schichtende mit der Waschautomatik etwa 30 Minuten lang die Walzen. Die beiden Rakel, die die überschüssig aufgetragene Druckfarbe von der Rasterwalze im oberen und unteren Farbwerk entfernt, müssen bei derzeit einschichtiger Maschinenauslastung wöchentlich gewechselt werden. Wedral findet auch die Hintereinander-Anordnung von Auslage- und Anlegestapel praktisch: Denn bei einer typischen Ein-Mann-Maschine sollte der Drucker immer am Ende der Maschine sein, an dem die Drucke herauskommen.

Der Workflow muss stimmen
Zu den wesentlichen Erfahrungen der Druckerei zählt, dass nicht nur die digitale Bebilderungstechnik in der Druckmaschine und der wasserlose Offsetdruck funktionieren müssen. In erster Linie beherrscht werden muss der Workflow – und zwar von der Datenübernahme vom Kunden bis zum RIP. Auch wenn S&B schon zuvor eine digitale Scitex-Druckvorstufe betrieben hat, waren einige Details an die Erfordernisse der neuen Maschine anzupassen. So z.B. das Proofen, das 90-prozentig farbverbindliche Ergebnisse liefert.

Die Digitaldruckmaschine wird über ein und denselben Scitex Brisque-RIP angesteuert wie der farbverbindliche Proofer, ein Iris Realist 5015. Da eine Digitaldruckmaschine eigentlich genauso wie ein Proofdrucker digitale Daten in Farbdrucke umsetzt, kann – ähnlich einer „Proof-zu-Proof-Kalibrierung“ – mit Hilfe der Programme Iris ColorZone (Farbwiedergabe-Stabilität) und Scitex ProfileWizard (Farbwiedergabe-Charakteristik) eine Anpassung des Proofs an die Fortdruck-Charakteristik durchgeführt werden.

Besonderheit: Die 74 Karat erlaubt keine entscheidenden farbkorrigierenden Möglichkeiten durch den Drucker, denn sie kalibriert sich automatisch auf die aktuellen Produktionsbedingungen. Für den Proof vor Ort genauso wie für externe Farbbilddaten-Lieferanten maßgeblich sind deshalb diese unmittelbaren Karat-Kalibrationseinstellungen. Zunächst drei bis vier Kunden will Dornetshuber diese Parameter zur Verfügung stellen, damit diese in ihren Räumen „just in time“ farbverbindliche Proofs mit simulierter Karat-Farbwiedergabe ausdrucken können. Darüber hinaus wird zur Zeit eine weitere Fernproof-Möglichkeit eingerichtet: RenderVieew, ein Produkt von Scitex-Partner RTImage, ermöglicht übers Internet den interaktiven Zugriff auf die gemachten Printserver-Native-Daten – auch in Konferenzschaltung mehrerer Nutzer.

Ein Ausblick
Die beiden Joint-Venture-Partner KBA und Scitex bieten mit der 74 Karat ein Produkt, mit dem die Drucker völlig neue Szenarien des bedarfsorientierten Druckens in Offsetqualität realisieren können. Die heutzutage immer kleiner werdenden Auflagen, die dennoch das ganze Spektrum von 1/0- bis 4/4-farbgig widerspiegeln, verlangen nach einer flexiblen Drucklösung mit einem leistungsfähigen RIP. Genau diese Anforderungen erfüllt die 74 Karat. Diese Eigenschaft wurde zur drupa 2000 mit zahlreichen Aufträgen aus Europa und Nordamerika (in Asien und Lateinamerika wird die 74 Karat noch nicht angeboten) belohnt

www.kba-print.com
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