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Gründung eines Instituts für Medienethik geplant

Samstag 28. Juli 2001 - Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im letzten Jahr hat ein kontinuierlicher gesellschaftlicher Diskussionsprozess über Bio- und Gentechnologie eingesetzt.

Informationsethik als Beitrag zur Bioethik-Diskussion

Wissenschaftliche Ergebnisse aus dem Gebiet der Lebenswissenschaften stellen ethische Fragen, die die Politik nur in Übereinstimmung mit der Gesellschaft beantworten kann und darf. Für Dr. Rafael Capurro, Professor für Informationswissenschaft und Informationsethik an der Stuttgarter Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen (HBI), leistet Informationsethik einen wichtigen Beitrag zur Bioethik-Diskussion. Er plant die Gründung eines Instituts für Medienethik an der Hochschule der Medien, die am 1. September 2001 aus dem Zusammenschluss der Hochschule für Druck und Medien (HDM) und HBI entsteht. Das Institut erforscht ethische Fragen in den Bereichen Internet, Massenmedien oder Wirtschaft und berät Vertreter aus der Politik.

Capurro wurde im April 2001 für vier Jahre in die „European Group on Ethics in Science and New Technologies“ (EGE), Brüssel, berufen. Als EGE-Mitglied befasst er sich mit Fragen eines zeitgemäßen Medien- und Informationsethos. Die zwölf Mitglieder des seit 1998 existierenden Gremiums kommen aus unterschiedlichen EU-Staaten und sind Experten in Disziplinen wie Biologie, Genetik, Medizin, Informatik, Recht, Philosophie oder Theologie. Sie werden von der Europäischen Kommission aufgrund ihrer Kompetenzen und persönlichen Qualitäten ernannt. Sie stehen der Kommission und dem Europäischen Parlament als Ratgeber in ethischen Fragen zur Seite. Zu den derzeitigen Aufgaben der EGE gehört unter anderem die Ausarbeitung eines Berichts über die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen.

Rafael Capurro beschäftigt sich mit dem Strukturwandel der medialen Öffentlichkeit. Er ist der Ansicht, dass ein verändertes Medienethos notwendig sein wird, um den Entwicklungen zu Beginn des neuen Jahrhunderts, insbesondere dem Medium Internet, Rechnung zu tragen: Angesichts der Globalität der Weltvernetzung werde die Frage nach einem Weltinformationsethos gestellt, bei der es nicht mehr nur um die Verantwortung der Sender-Oligopole und ihrer Mitarbeiter, die Journalisten, gehe, sondern um eine komplexe weltweite Struktur, in der die Rollen Sender/Empfänger austauschbar seien.

Capurro wurde 1945 in Montevideo (Uruguay) geboren und studierte Geisteswissenschaften und Philosophie in Chile und Argentinien. Nach seiner Promotion an der Universität Düsseldorf war Capurro von 1980 bis 1985 Referent des wissenschaftlich-technischen Geschäftsführers des Fachinformationszentrums Karlsruhe. Seit 1986 ist Capurro an der HBI als Professor für Informationswissenschaft und Informationsethik tätig. Seiner Habilitation für Praktische Philosophie an der Universität Stuttgart 1989 folgte eine Tätigkeit als Privatdozent an der Universität. Vor zwei Jahren gründete Capurro das „International Center for Information Ethics“ (ICIE), ein virtuelles Zentrum, das weltweit inzwischen rund 100 Mitglieder zählt und als Kommunikationsplattform in diesem Bereich einzigartig ist. Gemeinsam mit Kollegen der Hochschule für Druck und Medien (HDM) veranstaltet Capurro seit fünf Jahren internationale Workshops zur Informations- und Medienethik.

www.capurro.de
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