Die Branche am Montag!

Zeitung & Versandraum

Erlöse der Zeitungen sprudeln zunehmend aus neuen Quellen

Mittwoch 03. Juni 2015 - Der grundlegende Umbau des Geschäftsmodells der Zeitungen, der sich seit Jahren abzeichnet, ist vollzogen


Die globalen Erlöse der Zeitungen aus dem Auflagenverkauf sind erstmals in diesem Jahrhundert höher als die Erlöse aus dem Anzeigengeschäft. Das zeigt die jährliche World Press Trends Umfrage, die am Montag vom Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA) vorgestellt wurde.

„Die Grundannahme des Nachrichtengeschäftsmodells, dass Nachrichteninhalte durch Erlöse aus dem Anzeigengeschäft subventioniert werden, hat sich erledigt“, sagte WAN-IFRA-Generalsekretär Larry Kilman bei der Vorstellung der Umfrage beim 67. Weltkongress der Nachrichtenmedien, 22. World Editors Forum und 25. World Advertising Forum in Washington. „Es lässt sich eindeutig sagen, dass die Leserschaft zur größten Erlösquelle der Verlage geworden ist.“
Die Zeitungen haben 2014 Erlöse von schätzungsweise 179 Mrd. US-Dollar aus dem Verkaufs- und Anzeigengeschäft generiert — mehr als die Buch-, Musik- oder Filmbranche. Davon entfielen 92 Mrd. US-Dollar auf den Verkauf von Print- und Online-Ausgaben und 87 Mrd. US-Dollar auf das Anzeigengeschäft, so die Umfrage.
„Das ist eine seismische Verschiebung von einer starken Beziehung zwischen Verlagen und Anzeigenkunden hin zu einer wachsenden Beziehung zwischen Verlagen und Publikum“, sagte Kilman.
Im 20. Jahrhundert hat das Anzeigengeschäft in einigen Märkten bis zu 80 Prozent der Erlöse eingebracht. Der Anteil schwankt je nach Markt, in einigen europäischen und asiatischen Märkten bringt das Anzeigengeschäft vielleicht 40 Prozent der Erlöse ein.
Doch die Umfrage zeigt, dass die Anzeigenerlöse der Zeitungen fast überall zurückgehen, während die Auflagenerlöse relativ stabil bleiben.
„Print war einer von wenigen traditionellen Marketingkanälen und für Marketingfachleute meist die einzig logische Wahl für Branding und Marketing“, sagte Kilman. „Diese direkte gegenseitige Abhängigkeit existiert nicht mehr. Werbungtreibende haben heute mehr als 60 verschiedene Medien zur Auswahl.“
„In 2015 ist klar, dass die Zeitungsbranche nicht dem Untergang geweiht ist. Trotz des boomenden Wettbewerbs stellen Zeitungen in aller Welt stellen ihren Wert für Anzeigenkunden unter Beweis. Sie entdecken neue Märkte und neue Geschäftsmodelle, die heute ebenso relevant für die Nachrichtenproduktion sind wie Anzeigen- und Auflagenerlöse. Sie haben sich von Print-Zeitungsverlagen zu echten Multiplattform-Nachrichtenmedienunternehmen gewandelt.“
Wenngleich Zeitungen heute auf allen Medienplattformen vertreten sind, gestaltet sich die Messung von Reichweite und Einfluss nach wie vor schwierig, denn sie erfolgt weitgehend über Auflagenzahlen und eine Reihe nicht standardisierter Messgrößen für die digitale Reichweite. Die Herausforderung für die Branche besteht in der Messung der Reichweite über alle Plattformen mit neuen Maßeinheiten.
Die Umfrage World Press Trends enthält Daten aus mehr als 70 Ländern, die zusammen mehr als 90 Prozent des globalen Werts der Branche ausmachen. Erhoben werden die Daten unter enormem Aufwand von Dutzenden nationaler Zeitungen und Nachrichtenmedienverbänden und mit großzügiger Unterstützung globaler Datenlieferanten wie Zenith Optimedia, IPSOS, ComScore, Pew Research Center, RAM und ITU.
Die Erhebung, die jährlich beim weltweiten Gipfeltreffen der Zeitungsbranche vorgestellt wird, zeigt:
Die Zukunft heißt Mobile
Acht von zehn Smartphone-Benutzern schauen in den ersten 15 Minuten nach dem Aufwachen auf ihr Gerät. Es ist ein Kampf um die Publikumsgunst und der Sieger heißt Mobile.
— Weltweit verbringen Konsumenten im Schnitt 2,2 Stunden pro Tag mit ihrem Mobile-Gerät, entweder Smartphone (97 Minuten) oder Tablet (37 Minuten), was zusammen 37 Prozent der Medienzeit ausmacht, gefolgt von Fernsehen (81 Minuten), Desktop (70 Minuten), Radio (44 Minuten) und Print (33 Minuten). Das zeigt der Medienkonsumbericht von InMobi.
— Die Nutzung von Apps macht etwa die Hälfte des Mobile-Engagements aus und führende Medienunternehmen geben an, dass 30 Prozent oder mehr ihres monatlichen Publikums ausschließlich über Mobile-Plattformen zu ihnen gelangen.
— Erstmals sind die Publikumszahlen im Desktop-Bereich rückläufig. Aktuell ist die mit Smartphones verbrachte Zeit in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Italien höher als die Internetnutzung per Computer. Bei 19 der Top-25 US-Zeitungs-Sites übertraf der Mobile-Verkehr den Desktop-Verkehr um mindestens 10 Prozent, hat das Pew Research Center festgestellt. Die Zahl derer, die digitale Zeitungsinhalte ausschließlich mit Mobile-Geräten konsumieren, lag laut einem Bericht der Newspaper Association of America im März 2015 um 53 Prozent höher als im selben Monat des Vorjahres.
„Wenn es um neue Erlöse geht, sprechen wir seit 10 Jahren über Mobile“, sagte Kilman. „Nun ist es soweit. 2014 ging die Desktop-Internetnutzung weltweit zugunsten von Mobile zurück. Und in den Vereinigten Staaten gewinnt die Nutzung von Mobile-Apps die Oberhand über alle anderen digitalen Medienaktivitäten.“

Print-Auflagen steigen im Osten und sinken im Westen
Digital-Auflagen steigen
— Rund 2,7 Milliarden Menschen in aller Welt lesen gedruckte Zeitungen und mehr als 770 Millionen lesen sie auf digitalen Plattformen am Computer. Es gibt jedoch zunehmend Belege — aus Ländern mit ausgefeilten, verlässlichen Metriken — dass die Kombination aus Print und Digital das Publikum für Zeitungen weltweit vergrößert. So zeigen Daten aus Australien, dass 86 Prozent aller Erwachsenen auf irgendeiner Plattform Zeitungen lesen. Im Vereinigten Königreich sind es 83 Prozent und in Chile knapp 82 Prozent.
— Die Print-Auflagen sind 2014 gegenüber Vorjahr weltweit um 6,4 Prozent gestiegen und weisen im Fünfjahresvergleich einen Zuwachs von 16,5 Prozent auf. Das ist vor allem den Auflagensteigerungen in Indien und anderen ostasiatischen Ländern zuzuschreiben; das Zeitungsgeschäft in Indien ist nach wie vor der gesündeste Zweig der weltweiten Print-Zeitungsbranche. Die aktuellen indischen Zahlen haben das globale Bild erheblich beeinflusst und sie sind zum Teil einer steigenden Anzahl Publikationen in Indien zu verdanken.
— In Asien sind die Auflagenzahlen 2014 gegenüber Vorjahr um 9,8 Prozent gestiegen, im Nahen Osten und Afrika um 1,2 Prozent und in Lateinamerika um 0,6 Prozent; in Nordamerika fielen sie um 1,3 Prozent, in Europa um 4,5 Prozent und in Australien und Ozeanien um 5,3 Prozent. Über fünf Jahre stiegen die Zeitungsauflagen um 32,7 Prozent in Asien, im Nahen Osten und Afrika um 3,7 Prozent und in Lateinamerika um rund 3 Prozent; in Nordamerika fielen sie um 8,8 Prozent, in Europa um 21,3 Prozent und in Australien und Ozeanien um 22,3 Prozent.
— In reifen Märkten setzen die Zeitungen zunehmend auf Strategien, um mit weniger Abonnenten mehr Geld zu verdienen. Dazu gehören die Erhöhung der Verkaufspreise und die Verringerung der Produktionskosten durch Senkung der Erscheinungshäufigkeit. Doch diese Praktiken bergen das Risiko, einen Teil der Leserschaft im Tausch für Umsatzwachstum vor den Kopf zu stoßen.
— Bezahlte Digitalauflagen sind laut PwC 2014 um 56 Prozent gestiegen und um mehr als 1420 Prozent in den letzten fünf Jahren. Einer von 10 Menschen hat laut einer im Rahmen des Reuters Institute Digital News Report in zehn Ländern durchgeführten Umfrage angegeben, für digitale Inhalte zu bezahlen. Das reicht von 22 Prozent in Brasilien bis 7 Prozent im Vereinigten Königreich.

Print zahlt sich immer noch aus
— Weltweit kommen noch immer 93 Prozent aller Zeitungserlöse aus dem Print-Geschäft und Print wird auch noch viele Jahre eine große Einnahmequelle sein. Gleichzeitig investieren die Zeitungen Zeit und Mühe in Innovationen, um ihr zweidimensionales in ein multidimensionales Geschäftsmodell zu verwandeln.
— Das digitale Anzeigengeschäft stellt nur einen kleinen Teil der Zeitungsgesamterlöse dar, wächst aber signifikant mit 8 Prozent im Jahr 2014 und 59 Prozent über die letzen fünf Jahre, hat PriceWaterhouseCoopers festgestellt. Doch die größten Nutznießer des digitalen Anzeigengeschäfts sind nach wie vor Social-Media- und Technologieunternehmen. Den größten Anteil hat Google mit 38 Prozent (19,3 Mrd. US-Dollar) der Digitalanzeigenerlöse. Facebook griff 2014 knapp 10 Prozent ab und ist der größte Empfänger der gesamten Digital-Display- und Mobile-Display-Anzeigenumsätze.

Fernsehen hat den Löwenanteil am Werbekuchen, aber Internet und Mobile holen auf

— Fernsehen hält mit knapp 40 Prozent nach wie vor den größten Anteil am weltweiten Werbeumsatz, gefolgt von Desktop und Mobile-Internet mit mehr als 24 Prozent, Zeitungen mit 15 Prozent, Zeitschriften mit 7,3 Prozent, Außen- und Radiowerbung mit rund 7 Prozent und Kino mit einem halben Prozent.
— Print-Werbung ist 2014 weltweit um 5,17 Prozent gegenüber Vorjahr und um 17,51 Prozent über fünf Jahre zurückgegangen. Seit sie Mitte der 1990er Jahre begann, verzeichnet die Internetwerbung (Desktop und Mobile) Zuwächse zu Lasten von Print.
— Die Werbung in Print-Zeitungen stieg in Lateinamerika 2014 gegenüber Vorjahr um 4,86 Prozent und um 2,21 Prozent im Nahen Osten und Afrika, war jedoch in anderen Regionen rückläufig um 6,54 Prozent in Asien/Pazifik, um 7,5 Prozent in Nordamerika und um 5,01 Prozent in Europa. Über fünf Jahre stieg die Werbung in Print-Zeitungen um 27,68 Prozent in Lateinamerika. In Nordamerika ging sie um 28,22 Prozent zurück, in Europa um 23,10 Prozent, in Nahost und Afrika um 22,11 Prozent und in Asien/Pazifik um 7,34 Prozent.
— Die Ausgaben für Internetwerbung haben 2014 die Gesamtausgaben für Werbung in Zeitungen und Zeitschriften überholt. Über die letzten zehn Jahre ist die Internetwerbung von 4 Prozent des weltweiten Budgets auf 24 Prozent gestiegen. In derselben Zeit hat sich der Zeitungsanteil am globalen Werbekuchen von 30 auf 15 Prozent halbiert, während der Anteil der Zeitschriften von 13 auf 7,3 Prozent gesunken ist.
— Die Erlöse der Zeitungen mit Digitalanzeigen können die renditestarken Print-Erlöse nicht ersetzen, nehmen aber immerhin spürbar zu. So sind die Digitalanzeigenerlöse der Zeitungen 2014 um 8,5 Prozent und über fünf Jahre um knapp 60 Prozent gestiegen.

www.wan-ifra.org
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