Aus den Unternehmen
Heidelberg: 300 Millionen Euro Verlust
Donnerstag 14. Juni 2012 - Die endgültigen Zahlen von Heidelberg zum Geschäftsjahr 2011/12 liegen im Rahmen der vorläufigen Berechnungen von Ende April. Obwohl der Umsatz auf Vorjahresniveau liegt, erreichte das Unternehmen die gesteckten Ziele für das Berichtsjahr nicht. Das Gesamtergebnis des Konzerns beläuft sich auf minus 300 Millionen Euro.
Der Auftragseingang lag mit insgesamt 2,555 Mrd. Euro um 7 Prozent unter dem Vorjahreswert (2,757 Mrd. Euro), der durch die Messen ExpoPrint in Brasilien und IPEX in Großbritannien positiv beeinflusst worden war. Im ersten Berichtshalbjahr übertraf das Bestellvolumen mit 1,333 Mrd. Euro noch leicht das Niveau des vorangegangenen Halbjahres. Im zweiten Halbjahr schlugen sich jedoch die verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die auf die drupa zurückzuführende Investitionszurückhaltung im vierten Quartal in Bestellungen im Wert von 1,222 Mrd. Euro nieder.
Mit insgesamt 2,596 Mrd. Euro lag der Umsatz im Berichtsjahr währungsbereinigt auf dem Vorjahresniveau (2,629 Mrd. Euro). Während die Umsatzentwicklung in den Industrieländern rückläufig war, konnte der Umsatz in den Schwellenländern zulegen: Ihr Anteil stieg leicht von 45 Prozent im Vorjahr auf 46 Prozent. Hierzu trug vor allem die stabile Entwicklung in China, Brasilien und Russland bei.
Mit 3 Mio. Euro lag das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit vor Sondereinflüssen trotz Einmalaufwendungen auf dem Niveau des Vorjahres (4 Mio. Euro). Belastend wirkte insbesondere eine höhere Risikovorsorge im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich, die im Zuge des nach amerikanischem Insolvenzrecht laufenden „Chapter 11“-Verfahrens der Eastman Kodak Company notwendig wurde. Insgesamt fielen im abgelaufenen Geschäftsjahr insbesondere für das Effizienzprogramm FOCUS 2012 Sondereinflüsse in Höhe von 142 Mio. Euro an, so dass das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit nach Sondereinflüssen minus 139 Mio. Euro (Vorjahr: 6 Mio. Euro) betrug.
Das Finanzergebnis verbesserte sich im Berichtsjahr wie erwartet um 59 Mio. Euro auf minus 90 Mio. Euro. Ursachen waren im Wesentlichen die Verbesserung der Kapitalstruktur aufgrund der im Vorjahr durchgeführten Kapitalerhöhung sowie die deutlich reduzierte Kapitalbindung durch aktives Asset-Management. Aufgrund des Steueraufwands von 1 Mio. Euro lag der Jahresfehlbetrag bei minus 230 Mio. Euro (Vorjahr: minus 129 Mio. Euro). Daher wird der Hauptversammlung für das Berichtsjahr vorgeschlagen, keine Dividende auszuschütten.
Der Free Cashflow übertraf mit 10 Mio. Euro die Erwartungen. Hierzu trugen zum einen die Erfolge im Management des Net-Working-Capital als auch das verminderte Forderungsvolumen aus der Absatzfinanzierung bei. Aufgrund des Jahresfehlbetrags reduzierte sich die Eigenkapitalquote von rund 33 Prozent auf knapp 23 Prozent. Die Nettofinanzverschuldung konnte durch konsequentes Asset-Management mit 243 Mio. Euro (Vorjahr: 247 Mio. Euro) auf niedrigem Niveau gehalten werden.
Als sich die Veränderung der Rahmenbedingungen abzeichnete, hat Heidelberg im Berichtsjahr das Effizienzprogramm FOCUS 2012 eingeleitet und liegt mit der Umsetzung der Maßnahmen im Plan. Mit den Sozialpartnern wurden mit Interessenausgleich und Sozialplan die Instrumente für die notwendige Personalanpassung in Deutschland vereinbart. Rund 80 Prozent der daraus abgeleiteten personellen Einzelmaßnahmen konnten bereits umgesetzt werden, die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits auf einvernehmlicher Basis aus dem Unternehmen ausgeschieden. Bereits im Geschäftsjahr 2012/13 sollen bis zu einem Drittel der geplanten jährlichen Einsparungen in Höhe von rund 180 Mio. Euro wirksam werden. Damit soll sichergestellt werden, dass im Geschäftsjahr 2013/14 das angestrebte operative Ergebnis vor Sondereinflüssen von rund 150 Mio. Euro erreicht wird. Wesentliche Maßnahmen des Programms wurden noch vor der drupa umgesetzt. So hat das Unternehmen die Kapazität an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst und um 15 Prozent reduziert. An den deutschen Standorten wurde die Arbeitszeit auf 31,5 Stunden pro Woche abgesenkt bei entsprechender Absenkung der Entgeltlinie. Insgesamt soll die Zahl der Mitarbeiter bis Mitte des Jahres 2014 unter anderem mit sozialverträglichen Maßnahmen auf unter 14.000 gesenkt werden. Zum 31. März 2012 waren weltweit 15.414 Mitarbeiter bei der Heidelberg Gruppe beschäftigt (Vorjahr: 15.828 Mitarbeiter).
Neben der Kostenreduktion durch die Anpassung der Kapazitäten sowie den sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen wurden im Rahmen von FOCUS 2012 auch strategische Weichenstellungen eingeleitet. Ziel ist es, eine einheitliche und kompetente Betreuung der Kunden weltweit mit größtmöglicher Effizienz sicherzustellen. Hierzu wird die Vertriebsorganisation des Unternehmens neu ausgerichtet und an die veränderten Marktgegebenheiten angepasst. Dazu werden die Vertriebs- und Serviceprozesse in den Industrieregionen harmonisiert und stärker zentralisiert sowie die Präsenz in den Schwellenregionen wie China, Indien, Russland und Brasilien weiter ausgebaut. Damit soll die Marktposition von Heidelberg in den Wachstumsbereichen weiter gestärkt werden mit gleichbleibend hohem Fokus auf den Industrieländern, die auch zukünftig rund zwei Drittel des Druckvolumens produzieren. Die Gesamtverantwortung im Vorstand dafür hat seit dem 1. Juni 2012 Marcel Kiessling (51) übernommen. Er bündelt damit alle Kundenkontakte mit den Vertriebs- und Servicefunkionen sowie dem Geschäft mit Verbrauchsmaterialien.
Das Geschäftsjahr 2012/2013 wird voraussichtlich durch die positiven Impulse von der drupa geprägt werden. Für das erste Quartal im laufenden Geschäftsjahr geht das Unternehmen aufgrund des erfolgreichen Verlaufs der drupa von einem Auftragseingang von über 800 Mio. Euro aus, und damit dem höchsten Wert seit vier Jahren. Insgesamt erwartet Heidelberg in der ersten Geschäftsjahreshälfte höhere Auftragseingänge, die im zweiten Halbjahr zu steigenden Umsätzen führen. Das weltweite Druckvolumen steigt leicht an und führt deshalb, wie auf der drupa gezeigt, zu Ersatzinvestitionen in den Industrieländern und zu Neuinvestitionen in den Wachstumsregionen.
Heidelberg erwartet für das laufende Geschäftsjahr ein deutlich positives Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit vor Sondereinflüssen, das jedoch vor allem im ersten Halbjahr von anfallenden Kosten für die drupa und Produktanlaufkosten belastet wird. Die Messe wird zudem zu einer klaren Verschiebung der Umsätze in die zweite Geschäftsjahreshälfte mit entsprechend verbesserten Deckungsbeiträgen führen.
Die Einsparungen aus dem Effizienzprogramm FOCUS 2012 werden bereits im laufenden Geschäftsjahr anteilig zum Tragen kommen. Bis zu ein Drittel der geplanten jährlichen Einsparungssumme von 180 Mio. Euro soll bereits im laufenden Geschäftsjahr realisiert werden. Die hierfür notwendigen Aufwendungen werden jedoch das Finanzergebnis belasten. Aufgrund des Finanzergebnisses wird das Ergebnis vor Steuern negativ erwartet. Der Free Cashflow wird im Geschäftsjahr 2012/2013 durch die anteiligen Auszahlungen für FOCUS 2012 erheblich belastet werden und zwischenzeitlich zu einer höheren Nettofinanzverschuldung führen. Sobald die weiteren Entwicklungen wie auch das Nachmessegeschäft besser absehbar sind, wird die Prognose weiter konkretisiert.
Im Geschäftsjahr 2013/2014 erwartet Heidelberg, dass sich die Markterholung fortsetzt. Sollte sich die Konjunktur entgegen der Erwartung nicht verbessern oder die Investitionsquote weniger zunehmen, könnte dies zu einem im Vergleich zum laufenden Geschäftsjahr leicht rückgängigen Umsatz führen. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit ohne Sondereinflüsse selbst in diesem Fall weiter verbessern würde, weil die Kostensenkungen des Effizienzprogramms FOCUS 2012 voll wirken werden. Das Unternehmen strebt somit im Geschäftsjahr 2013/2014 weiterhin ein operatives Ergebnis ohne Sondereinflüsse von rund 150 Mio. Euro sowie einen Jahresüberschuss an.