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Zeitung & Versandraum

Neue Commander CT bei den Badischen Neuesten Nachrichten

Die BNN hat sich bewusst gegen eine Platten-Transportstrecke bis an die Druckwerke entschieden. Stattdessen werden Trageeinrichtungen für sortierte Plattensätze verwendet, die der Technische Leiter Georg Siepmann hier vorführt

Samstag 20. Oktober 2012 - Zeitungsverlage denken langfristig, denn Investitionen in die "schwere Technik" müssen sich über fünfzehn Jahre hinweg als richtig erweisen. In puncto Langfristigkeit und Stabilität sind die Badischen Neuesten Nachrichten eine Benchmark unter den deutschen Regionalzeitungen. Aber auch sonst sind das Karlsruher Druck- und Verlagshaus und die Rahmenbedingungen für die jüngst installierte Produktionstechnik alles andere als gewöhnlich.

Wenn man die „Fächerstadt“ Karlsruhe über die Linkenheimer Landstraße nach Norden verlässt, kann man den Verlags- und Druckereikomplex der Badischen Neuesten Nachrichten Badendruck GmbH kaum übersehen. Seit den frühen 70er-Jahren wird hier eine der großen Tageszeitungen für den Südwesten produziert, 1986 zogen auch Redaktion und Verwaltung an den Stadtrand. Und wenn die BNN von sich sagt, man sei „zwischen Tradition und Moderne“ angesiedelt, so erweckt das Verlagshaus auch von innen den Eindruck eines Felsens in der Brandung.

Hans Wilhelm Baur ist erst der zweite Verleger, der das Karlsruher Blatt führt – obgleich die dritte Generation in der Person von Klaus Michael Baur schon als Herausgeber und Chefredakteur die operative Leitung der Zeitung inne hat. Mit seinen 86 Jahren ist Hans Wilhelm Baur nach wie vor jeden Tag in „seinem“ Unternehmen. Kontinuität und Berechenbarkeit prägen das Karlsruher Haus. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, haben Baur und seine 2004 verstorbene Frau Brunhilde ihr Unternehmen bereits 1994 in die gemeinnützige Wilhelm-Baur-Stiftung eingebracht, welche die publizistische Unabhängigkeit des Medienunternehmens dauerhaft sichern soll und zugleich Ausdruck der sozialen Einstellung des Unternehmers ist. Während in vielen Unternehmen der Druckbranche das Controlling die Firmenpolitik beherrscht, gehört es zum Credo von Hans Wilhelm Baur, dass niemand seinen Job verliert, nur weil neue, höher automatisierte Technologie ins Haus einzieht.

Auf sechs verlagseigenen Rotationen wurde die BNN bislang gedruckt, seit das Blatt 1946 von den Amerikanern lizensiert wurde. Fünf der Maschinen lieferte Koenig & Bauer. In den vergangenen elf Jahren wurde allerdings auf zwei doppeltbreiten Maschinenlinien unterschiedlicher Hersteller produziert – einer 1996 in Betrieb genommenen KBA Commander und einer 2000 installierten Colorman. Beide Maschinen waren noch für das breite Format der BNN – 400 x 520 mm – ausgelegt, das erst im Frühjahr 2012 mit dem Anlauf der neuen KBA Commander CT gegen das Rheinische Format (350 x 510 mm) getauscht wurde.

So aufwendig es war, auf zwei unterschiedlichen Maschinen mit zwei unterschiedlichen Automatisierungspaketen zu produzieren, so konnte der Technische Leiter Georg Siepmann doch über viele Jahre zwei Hersteller, ihre Produktionsmittel und deren Serviceorganisation direkt vergleichen. Das jüngste Investitionspaket beinhaltete neben der Kompaktrotation Commander CT auch ergänzende bzw. neue Technik für die CtP-Vorstufe, den Plattenworkflow und den Versand. Es trägt die Handschrift des Technischen Leiters Georg Siepmann, der seit 2002 im Unternehmen ist. Für die neue Druckmaschine galten mehrere Prämissen: Sie musste in das vorhandene Druckereigebäude passen, ihre Installation bei laufendem Betrieb erfolgen und der Umstieg von einem Tag auf den anderen geschehen.

Die Planung und Auswahl der BNN fand ausschließlich durch hauseigene Fachleute ohne externe Berater statt. „Wir haben mit einer motivierten Mannschaft wirklich gute Ergebnisse erzielt“, stellt Georg Siepmann rückblickend fest. Das Verfahren mündete nach einem halben Jahr im Sommer 2010 in die Bestellung einer KBA Commander CT 6/2, die damals in 6-Platten-breiter Konfiguration nur bei der New York Daily News in den USA im Einsatz war.

Mit 29,4 Metern Länge, 6,45 m Breite (ohne Treppen) und nur 10,6 m Höhe fügt sich die Kompakt-Unterbaumaschine exakt in den zur Verfügung stehenden Raum ein (Siepmann: „Das hat wunderbar gepasst.“) und erlaubt mit ihren vier Drucktürmen und zwei Falzapparaten die Produktion einer 96-seitigen Broadsheet-Zeitung oder – was in Karlsruhe häufiger der Fall ist – die Parallelproduktion von zwei bis zu 48-seitigen Zeitungen.

Die beiden an den Seiten der Rotationshalle stehenden Vorgängermaschinen waren von Leitständen in einer gemeinsamen Einhausung in der Mitte der Halle gesteuert worden. Während der Umbauphase wurden die Pulte unmittelbar an die jeweilige Maschine verlegt, die Einhausung demontiert und an dieser Stelle durch das dort vorhandene dritte Hallentor die Commander CT eingebracht. Aufgrund des geringen Spielraums (nur 40 cm Platz zwischen Überbau und Hallendecke) war dies eine echte Herausforderung.

Die neue Maschine kann mittels 5/12-, 7/12- und 11/12-Bahnbreiten auch innovative Werbeformen wie Spadia, Halfcover oder ein (geleimtes) Superpanorama produzieren. Die vier Rollenwechsler werden über eine automatisierte Papierlogistik KBA Patras A mit Auspackstation versorgt. Allerdings erforderte auch die Dimension des Rollenkellers angepasste Logistiklösungen. Vollbreite, bis zu 2,10 Meter messende Rollen können dort nur liegend gelagert werden.

Die für Wartungszwecke in der Mitte auseinander fahrbaren Drucktürme der Commander CT sind mit PlateTronic-Plattenwechselautomaten, automatischen RollerTronic-Walzenschlössern, NipTronic-Lagertechnik, Fanout-Kompensation, CleanTronic-Gummituchwaschanlagen, Farbwerkwascheinrichtungen und zentraler Farbversorgung ausgestattet.

Hinzu kommen vier Doppelwendeeinrichtungen, zwei Falzapparat-Überbauten mit drei Trichtern, zwei Klappenfalzwerke KBA KF 5, Schnittregisterregelungen sowie Einrichtungen zum Leimen und für die Superpanorama-Produktion. Gesteuert wird die Commander CT 6/2 über drei ErgoTronic-Leitstände. Zudem ist die neue Rotation in das Produktionsplanungs- und Voreinstellsystem Print 5 von EAE integriert. Das Gesamtpaket sprach lt. Georg Giepmann letztlich für KBA.

Durch die Formatumstellung war in Karlsruhe keine Mischproduktion auf den alten bzw. der neuen Maschine möglich, lediglich im CtP-Bereich gab es einen Stufenplan. Dort wurden die beiden seit 2003 betriebenen Agfa-Polaris-Belichter um einen Advantage-Belichter für das Rheinische Format ergänzt und anschließend ebenfalls an die neuen Plattengrößen angepasst. Neu ist auch die Stanz- und Abkantanlage von Barenschee mit zwei „Platetower“-Speicherstationen für je 128 nicht abgekantete Platten. Eine Förderstrecke, verbindet die drei Belichter mit den zwei Stanz- und Abkantstationen und führt bis zu einem Plattenbahnhof im großzügigen Leitstand-Raum. Die Arbeitsplätze der Drucker verfügen über je drei Bildschirme – einen Hochformat-Bildschirm für die Softproof-Wiedergabe, einen Touchscreen für die Maschinensteuerung und den Überwachungsbildschirm für die Registersteuerung von Q.I. Press Controls.

Nach entsprechenden Testdrucken legte die BNN in der Nacht vom 11. auf den 12. März 2012 den Hebel um. Mit Erfolg. „Wir sind jeden Tag erschienen und hatten nie eine brenzlige Situation“, versichert Georg Siepmann. Nach den ersten fünf Monaten ist er mit seinem Produkt zufrieden. Man habe einen deutlich spürbaren Qualitätssprung gemacht. Auch in seiner Entscheidung für eine Gummi-Gummi-Maschine sieht sich der Karlsruher Technik-Chef bestätigt: „Im Flächenausdruck hat diese Technik deutliche Vorteile.“

Die Badischen Neuesten Nachrichten (Druckauflage laut IVW II/2012: 143.305 Exemplare) erscheinen in neun Lokalausgaben, deren kleinste bei 1.700 Exemplaren liegt. Sie hat mit dem Formatwechsel auch eine geänderte Buchstruktur erhalten, die das Blatt übersichtlicher macht und dem Produktionsworkflow entgegenkommt.

Deutlich kürzere Einrichtezeiten erlauben eine frühere Zustellung – spätestens um 6 Uhr müssen alle Abo-Exemplare in den Briefkästen sein. Sie bieten aber auch die Möglichkeit, am späten Abend zu Ende gehende Sportereignisse in der Gesamtauflage unterzubringen. Die drei vorderen Mantel-Bücher werden erst gegen 23.30 Uhr angedruckt, nachdem zuvor schon die Lokalteile (das vierte Buch) mit ihren zahlreichen Umfangswechseln über die Rotation gingen. Diese Entflechtung reduziert zusätzlich die Stillstandszeiten und ist durch die konsequente Offline-Produktion im Versandraum problemlos möglich. Alle Produkte werden dort zunächst aufgewickelt und später zusammengeführt.

Auch im Versandraum hat die BNN ihren Technologiepartner gewechselt und eine, aus zwei nahezu identischen Linien bestehende Ferag-Weiterverarbeitung installiert.

Noch werden in Karlsruhe im Wesentlichen die drei eigenen Titel produziert: Neben der an sechs Tagen erscheinenden BNN noch die in einem sehr modernen Design gehaltene siebte Ausgabe Der Sonntag (mit rund 240.000 Exemplaren) sowie das wöchentliche Anzeigenblatt Kurier mit rund 400.000 Exemplaren. Nach dem Wechsel ins marktgängige Rheinische Format bemüht sich das Verlagshaus auch offensiv um zusätzliche Fremdaufträge.

Auf seinem sorgsam ausbalancierten Weg hat das Karlsruher Medienhaus zwischen Tradition und Moderne eine „Runderneuerung“ erfahren, urteilt Georg Siepmann. Mit dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung meint es die BNN ernst: 2013 soll die Produktionsweise noch einmal überprüft werden.

www.kba.com
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