Weiterverarbeitung
Aus Liebe zum Papier: Cobots als Chance für das Druckerei-Handwerk
Donnerstag 01. Oktober 2020 - Einst taktgebend und dem Umsatz der Automobilindustrie Konkurrenz machend, ringt die Druckereibranche seit einigen Jahren mit einem starken Wettbewerbsdruck und hohen Herstellungskosten.
Um handlungsfähig zu bleiben, bedarf es innovativer Strategien: Automatisierung muss in das Handwerk einziehen. Mit kollaborierenden Robotern gelingt der Einstieg kleinen Traditionsdruckereien und Konzernen gleichermaßen.
Ob Tageszeitungen, Magazine, Bücher, Flyer oder Plakate: Druckerzeugnisse sind unsere täglichen Begleiter. Doch wissen wir alle: Die in Deutschland einst zentrale Industrie muss sich seit der Jahrtausendwende gegenüber der elektronischen Konkurrenz beweisen. Nicht zuletzt am Auflagenrückgang gedruckter Zeitungen lässt sich der Verlauf der künftigen Entwicklungen in dieser Branche ablesen.
Dem Wettbewerb voraus: Cobots im Druckerei-Handwerk
Um wettbewerbsgerecht herstellen und mit den Preisen aus Niedriglohnländern mithalten zu können, gilt es daher in der hiesigen Druckproduktion, Kosten zu reduzieren und Taktzeiten zu erhöhen. „Derzeit liegt der Personalkostenanteil in Druckereien bei bis zu 50 Prozent. Die Robotik bietet großes Potenzial für die Druckbranche, die bisher kaum mit Automatisierung vertraut ist – insbesondere, wenn qualifizierte Fachkräfte in der Produktion fehlen“, erläutert Bodo Tegtmeier, Regionalverkaufsleiter und technische Verkaufsunterstützung bei MBO Postpress Solutions GmbH.
Mit 450 Mitarbeitern und sechs Standorten in Europa, Asien und USA verzeichnet MBO nicht nur den weltweit größten Umsatz im Marktsegment, sondern zählt auch auf globaler Ebene zu den führenden Firmen im Druckerei-Handwerk. Das seit 2020 dem Komori-Konzern zugehörige Unternehmen produziert bereits in langer Tradition Maschinen für die buchbinderische Weiterverarbeitung. Seit über einem Jahr setzt MBO kollaborierende Roboter (Cobots) in ihren Lösungen ein.
„Die wenigen Automatisierungslösungen, die heute in Druckereien im Einsatz sind, sind noch immer klassische Industrieroboter. Diese bedürfen entsprechender Sicherheitstechnik und sind dazu stationär“, sagt Tegtmeier. „Für unsere Branche sind sie einfach nicht flexibel genug. Wir sehen Cobots als große Chance für das Druckerei-Handwerk.“
Mit Kollege Roboter sicher und flexibel zusammenarbeiten
Denn Roboter, die sich schnell an verschiedenen Maschinen anpassen und in bestehende Produktionsprozesse eingliedern lassen, bieten eine Grundlage für den zukünftigen Erfolg der Industrie. Aufgrund der wenigen Berührungspunkte mit Robotik in der Branche herrschen jedoch Vorurteile gegenüber den flexiblen Cobots: „Der Punkt Sicherheit ist das A und O in allen Bereichen, in denen mit Robotern zusammengearbeitet wird. Da wir bisher der einzige Hersteller sind, der im Druckerei-Handwerk auf Cobots setzt, gibt es viele Unsicherheiten im Umgang mit den Leichtbaurobotern“, erläutert Tegtmeier. „Ohne Schutzzaun erscheinen sie vielen Firmen nicht sicher genug, obwohl die kollaborierenden Roboterarme nach strengen Vorlagen zertifiziert und nur nach erfolgreich abgeschlossener Risikobeurteilung im unmittelbaren Umfeld der Mitarbeiter eingesetzt werden dürfen.“
Dabei sind die zahlreichen Sicherheitsfunktionen von Cobots ein großer Vorteil: Ohne Schutzvorrichtung können Firmen sie platzsparend sowie mobil in ihre Druckproduktion einplanen. So können Unternehmen aller Art – auch kleine Druckereien – die Roboterarme in diversen Anwendungsszenarien einsetzen und sich einen deutlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschaffen. Zudem bieten Robotiklösungen, die keinerlei zusätzlicher Sicherheitstechnik bedürfen, Preisvorteile: ein klassischer Industrieroboter mit einem Schutzzaun ist nicht nur platzeinnehmend, sondern auch kostspielig.
Taktzeiten verdoppeln mit Cobots
Vor einem Jahr hat MBO als Antwort auf die Herausforderungen in der eigenen Branche die Applikation MBO CoBo-Stack eingeführt: Eine Lösung zum automatisierten Absetzen von Papierstapeln, die auch für kleine und mittelständische Unternehmen rentabel ist. In der kollaborativen Anwendung ist ein UR10e integriert, der flexibel an verschiedene Maschinen Einsatz findet.
Im Arbeitsprozess nimmt der Cobot Papierstapel unterschiedlichster Größe auf und legt sie auf unterschiedlichen Palettengrößen ab. Er bewegt dabei sehr viele Tonnen Material täglich und entlastet so die Mitarbeiter von der körperlich schweren Tätigkeit. Paletten können an beiden Seiten der Auslage platziert werden, wodurch unterbrechungsfreies Arbeiten möglich ist.
„Wir haben den MBO CoBo-Stack in der Papierverarbeitung an unseren MBO Falzmaschinen im Einsatz“, sagt Jürgen Pipp, Geschäftsführer der Jürgen Pipp Papierverarbeitung und Versandservice E.K. „Mithilfe des Roboters konnten wir unsere Taktzeiten verdoppeln und die Belastung für die Mitarbeiter deutlich reduzieren. Diese können sich stattdessen neuen, anspruchsvolleren Aufgaben wie der Qualitätskontrolle oder der Auftragsvorbereitung widmen.“
Cobot als Zukunftsstrategie in Druckereien
Heute kann ein Mitarbeiter bei Pipp dank des Einsatzes des kollaborierenden Roboters zwei Maschinen gleichzeitig bedienen und damit die Ausbringungsmenge während der Arbeitszeit verdoppeln. Durch die Flexibilität des Cobots und dessen platzsparenden Designs fügt er sich problemlos in diverse Produktionsprozesse ein. „Innerhalb von wenigen Minuten ist der Roboter für neue Anforderungen parametriert und dank seiner flexiblen Bauweise auch schnell an anderen Maschinen einsatzbereit“, so Pipp. „Wir sehen große Erfolge mit dem Einsatz der Automatisierungslösung. Es wird Zeit, dass Automatisierung auch in unserer Industrie die Norm wird.“
Cobots sind die platzsparende, flexible und einfach zu bedienende Alternative zum Industrieroboter. „Doch vor allem sind sie sicher“, betont Tegtmeier. „Wir bei MBO sehen die Leichtbauroboter als Schlüssel zum Erfolg in unserem Handwerk. Und eins ist trotz all der digitalen Innovationen schön zu erleben: Das gedruckte Buch erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.“