Aus den Unternehmen
So gelingt die Digitalisierung
Dienstag 08. November 2022 - Das diesjährige Kunden- und Branchentreffen Obility Insight zeigte Wege für den Einstieg in das Thema Business Automation auf.
Mehr und mehr Druckdienstleister erkennen die Notwendigkeit, ihre Prozesse zu digitalisieren und so weit wie möglich zu automatisieren. Bleibt die Frage, wie das gelingen kann. Antworten lieferte die diesjährige Neuauflage des Kunden- und Branchentreffs Obility Insight des Koblenzer Software-Hauses Obility im September in Maria Laach in der Eifel. Einmal mehr lautete das Motto „Voneinander lernen – miteinander profitieren“.
Die Referenten von Obility Insight 2022 hatten sich zuvor nicht abgesprochen. Dennoch wirkten ihre Vorträge wie aus einem Guss – wobei sie das komplexe Thema Digitalisierung aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. „Wir denken alle gleich. Wir wissen, dass wir die Digitalisierung in kleinen Schritten angehen müssen und sich der Digitalisierungsprozess über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt. Und wir wissen, dass es in digitalisierten Unternehmen ein zentrales System geben muss, das alle Prozesse steuert. Dafür haben wir die web-basierten Software-Lösungen unserer Digitalisierungs-Plattform entwickelt“, fasste Obility-Geschäftsführer Frank Siegel gegen Ende der Veranstaltung die Inhalte der Vorträge zusammen.
Mit seiner eigenen Präsentation hatte er zu Beginn das Fundament für die Agenda des Tages gelegt. „In den vergangenen 20 Jahren haben sich etwa 50 % aller Druckbetriebe aus dem Markt verabschiedet. Bis 2030 wird ihnen voraussichtlich noch einmal die Hälfte der heute noch vorhandenen Druckdienstleister folgen. Allein das zeigt, wie grundlegend der Umbruch in unserer Branche ist“, erklärte Siegel und zitierte die Pareto-Regel der Transformation: „Nach der Transformation bleiben nur etwa 20 % der früheren Unternehmen übrig, 80 % sind neue Marktteilnehmer.“
Digitale Daten werden zur Überlebensfrage
Die Welt vernetze und digitalisiere sich unaufhaltsam. Somit werde für Unternehmen mehr und mehr zur Überlebensfrage, ob sie mit digitalen Daten umgehen können. Das wiederum erfordere eine richtige Einstellung gegenüber der Digitalisierung. Siegel: „Es gilt, die Notwendigkeiten zu akzeptieren, die Möglichkeiten zu verstehen und die konkreten Aufgaben zu definieren.“ Letztlich müsse jedes Unternehmen seinen eigenen Königsweg finden. „Fangt klein an. Schaut, wo ihr mit der Digitalisierung von Teilprozessen Zeit sparen könnt. Und dann nutzt die gewonnene Zeit für weitere Optimierungen“, empfahl der Geschäftsführer. Bei Druckbetrieben, die ihre Prozesse erfolgreich und zukunftsorientiert transformieren, zeige sich eine Art Zinseszins-Effekt – eine Erfolgsspirale, die Siegel „als Virtuous Circle“ bezeichnete.
Dass sich diese bei der Schweizer Schellenberg Druck AG schon zu drehen begonnen hat, daran ließ Produktionsleiter und Qualitätsmanager Philipp Wyss keinen Zweifel. Nachdem er bereits bei Obility Insight im vergangenen Jahr zum Einstieg des Unternehmens in die digitale Transformation referiert hatte, legte er nun mit einer Präsentation zum Status Quo der Obility Implementierung nach. Schellenberg Druck mit zehn Standorten und 280 Mitarbeitern wird zu einem Unternehmen, das durchgängig bis hin zur Logistik in Echtzeit arbeitet. So kann es im Tagesgeschäft schnell und flexibel agieren. Wyss: „Die Leistungsfähigkeit von Druckbetrieben endet nicht in der Produktion, sondern bei den Kunden.“
Suchzeiten, Rückfragen und fehlende Transparenz – das alles wird bei Schellenberg Druck Schritt für Schritt aus dem Tagesbetrieb eliminiert. „Die Obility-Plantafel ist bei uns zum zentralen Ort geworden. Über sie steuern wir unser gesamtes Unternehmen. Dank Obility bis hin zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, stellte Wyss fest. Auch das Arbeiten mit der elektronischen, interaktiven Lauftasche von Obility ist bei Schellenberg Druck inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Sie erlaubt zudem ein Reporting in Echtzeit. So sehen die Sachbearbeiter des Unternehmens in Obility in Echtzeit, sobald Kunden den Logistik-Dienstleistern den Empfang ihrer Druckerzeugnisse quittieren.
Schritt für Schritt vorgehen
„Das Obility-System möchte wissen, was wo im Unternehmen geschieht. Deshalb müssen unsere Mitarbeitenden konsequent alle Bewegungen im System erfassen“, betonte Wyss diesen Aspekt. „Es ist elementar wichtig, sie mitzunehmen und in geeigneter Weise zu schulen. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie den Unterschied zwischen Alt und Neu erkennen.“ Ab da wolle niemand mehr wie früher arbeiten.
Schellenberg Druck hat den Prozess der Obility-Implementierung in fünf „Komplexitätsstufen“ unterteilt. Die ersten beiden Stufen wurden inzwischen erfolgreich umgesetzt. Bei der letzten Stufe wird das im kommenden Frühjahr der Fall sein. „Wenn es uns mit unseren komplexen Prozessen gelingt, diese mit Obility zu verbessern, dann wird euch das auch gelingen“, gab Wyss seinen Zuhörern mit auf den Weg.
Ein Quereinsteiger
In das Bild der Pareto-Regel der Transformation fügt sich das Berliner Unternehmen DeineStadtKlebt nahtlos ein. Seine Gründer waren vor mehr als 15 Jahren auf die Idee gekommen, Aufkleber aller Art für jedermann über das Internet anzubieten. Da es allerdings in ganz Berlin keine Druckerei gab, die solche Produkte herstellen wollte, machte sich das Unternehmen selbst daran. Das Geschäft blühte und schließlich übernahm DeineStadtKlebt die angeschlagene Berliner Königsdruckerei. Damit entstand ein Unternehmensverbund, der heute etwa 50 Mitarbeitende beschäftigt.
Norman Gluske, Marketing Manager bei Königsdruck, und Gregor Lösch, Projektleiter für die Obility-Implementierung bei Königsdruck und DeineStadtKlebt, erklärten die Beweggründe ihrer Unternehmen für den Umstieg auf diese Digitalisierungs-Plattform. „Wir wollen alle relevanten Prozesse mit Obility digitalisieren, strukturieren und automatisieren“, formulierte Gluske das Ziel. In der Vergangenheit arbeiteten beide Unternehmen mit einer Vielzahl verschiedener, zum Teil sogar eigenentwickelter Lösungen. Ein heterogener und lückenhafter Produktionsprozess.
Lösch: „Um langfristig im Markt bestehen zu können, brauchen wir ein integriertes Gesamtsystem ohne Insellösungen und Medienbrüche, also nahtlose Geschäfts- und Produktionsprozesse.“ Die Unterziele lauten Unterstützung einer transparenten und effizienten Produktion, Kostensenkungen und valide Kennzahlen für ein genaues Reporting in Echtzeit. Gluske: „Obility brauchen wir auch deshalb, weil wir bei der Markteinführung neuer Produkte flexibler werden wollen.
2021 gab es die ersten Vorgespräche und eine Prozessanalyse mit Obility. In der ersten Hälfte 2022 folgten die konkrete Projekt- und Zeitplanung und die Realisierung eines Closed Shops einschließlich Lagerverwaltung für einen Kunden. In der zweiten Jahreshälfte werden die Kalkulation sowie die Artikel- und Lagerverwaltung eingeführt. „Das alles zwingt uns, unsere Prozesse tatsächlich bis ins Detail aufzudröseln“, so Lösch. Auch der Print-Shop einschließlich des WordPress-Plug-Ins, die Schnittstellen zu den Resellern und die Anbindung der Produktion werden noch in diesem Jahr realisiert. Für die folgenden Monate sind die Schulungen, die Übernahme der Stamm- und Kundendaten und schließlich der Relaunch des Systems geplant. Dann werden beide Unternehmen in Obility zusammengeführt sein.
Kundenbindung über das Netz
Digitalisierung, aber wie? Um diese Frage zielorientiert und mit möglichst großen Erfolgsaussichten zu beantworten, stellen sich viele Druckdienstleister externe Berater zur Seite, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben. Auch einige Obility-Kunden lassen sich hier unter die Arme greifen. Uli Jeusfeld, Unternehmenscoach für Zukunftssicherheit und Wachstum in der grafischen Industrie, und Markus Lips, Lips & Partner Business Engineering, stellten auf der Obility-Veranstaltung ihre Vorgehensweisen vor.
Dabei nahm sich Jeusfeld der Frage an, wie Druckdienstleister ihre Digitalisierung vermarkten können. „Werdet in den sozialen Netzen sichtbar und macht euch im Netz für eure Kunden so interessant, dass sie von sich aus auf euch zukommen und bei euch bleiben.“ Die digitale Welt sei keine Option. Wichtig sei es, seine digitale Entwicklung konkret zu planen und sich dafür die erforderliche Zeit zu nehmen. „Es braucht eine Vision und eine Strategie“, betonte der Berater. Wer meine, erst sein Tagesgeschäft bewältigen zu müssen und sich erst danach – sofern noch Zeit bleibe – mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen zu können, sei auf dem Holzweg. Damit sprach Jeusfeld aus, was in einem Großteil der Druckbetriebe aktuell nach wie vor Realität sein dürfte.
Ganzheitlicher Ansatz
Lips betonte die Notwendigkeit, auf dem Weg in die Digitalisierung alle Unternehmensbereiche einzubeziehen: „Bildet interdisziplinäre Projektteams. Clustert eure Prozesse in Management-Prozesse, Kernprozesse der Wertschöpfung und in unterstützende Prozesse. Definiert, welches die wichtigsten Prozesse sind, und entwickelt hier jeweils Soll-Prozesse.“ Die Praxis zeige, dass es sinnvoll ist, diese zum Beispiel grafisch zu dokumentieren und für sie Kennzahlen zu definieren, anhand der Erfolg später gemessen werden kann. „Ein schlechter konventioneller Prozess ergibt einen schlechten digitalen Prozess, wenn er 1:1 umgesetzt wird“, schrieb Lips den Teilnehmern ins Stammbuch, ihre Digitalisierung beherzt anzugehen.
Siegel griff den Ball auf: „Es gibt Druckereien, die arbeiten nach wie vor nicht digital und haben Kunden, die ebenfalls nicht digital arbeiten. Und es gibt Kunden, die bereits digital arbeiten – genauso wie ihre Kunden. Druckereien und Kunden, die nicht digital arbeiten, passen zusammen. Gleiches gilt für Druckdienstleister und Kunden, die beide digital arbeiten. Und jetzt ratet mal, wer langfristig am Markt bleiben wird.“ Aus Sicht von Obility ist der Weg vorgegeben. „Wir verstehen uns als euer Partner und als Motor der Digitalisierung. Deshalb seid ihr unsere Kunden. Und deshalb werden wir in 2030 gemeinsam sagen können: Wir sind noch da!“
Live-Produktion
Mit der „Obility Factory“ präsentierte das Koblenzer Software-Haus im Rahmen einer Live-Demonstration mit mehreren vernetzten Arbeitsplätzen, wie ein mit Obility digitalisierter Prozess aussehen kann. Dabei wurde der Bewertungsbogen für die Veranstaltung mit einer Digitaldruckmaschine gedruckt und mit einem All-In-One-Multifinisher FKS/Duplo DocuCutter DC-618 weiterverarbeitet. Beide Maschinen wurden vom Systemhaus Faber GmbH aus Krefeld zur Verfügung gestellt. Dieses ist auf den Digitaldruck spezialisiert und verfügt über mehr als 35 Jahre Branchenerfahrung.
Hier bekamen die Teilnehmer die Gelegenheit, sich die umfassende Funktionalität der Obility-Plattform im Detail zeigen und erklären zu lassen – angefangen bei der automatischen Kalkulation und Angebotserstellung über die Auftragsverwaltung, Disposition und Plantafel bis hin zur elektronischen Auftragstasche, BDE, Lagersteuerung und Versand.
An Jens Reifenberger und Marcus Silber von Obility war es, noch einmal die jüngsten Innovationen des Unternehmen Revue passieren zu lassen und einen Überblick zu geben, welche Lösungen es in den kommenden Monaten auf den Markt bringen wird. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Weiterentwicklungen und ergänzende Software-Lösungen. Viele von ihnen wurden und werden von Obility auf Basis individueller Anforderungen von Kunden entwickelt.
So konnte sich Obility-Chefentwickler Werner Jung in diesem Jahr auf einen Blick in die Zukunft konzentrieren: „Der demografische Wandel wird den Mangel an IT-Experten im kommenden Jahrzehnt noch drastisch weiter verschärfen. Es wird zunehmend schwieriger werden, die erforderlichen IT-Ressourcen auf dem Markt zu bekommen. Hier wollen wir unseren Kunden zur Seite stehen. Das ist unsere Vision.“
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es am Abend noch das traditionelle Networking-Dinner, das die Besucher auch in diesem Jahr gerne für den intensiven Informationsaustausch mit Kollegenbetrieben, den Beratern und den Experten von Obility nutzten.